Belagerung vom syrischen Ost-Ghouta: Assad-Armee rückt vor

Die syrische Armee hat Beobachtern zufolge mehr als ein Drittel Ost-Ghoutas unter ihre Kontrolle gebracht. Zivilisten dürfen das umkämpfte Gebiet wohl verlassen.

Menschen laufen durch Trümmer in ein Gebäude

Schwierige Quellenlage bei Fakten und Fotos: Das von den „Weißhelmen“ zur Verfügung gestellte Bild zeigt einen Luftangriff in Ost-Ghouta im Feburar Foto: Syrian Civil Defense White Helmets/dpa

BEIRUT/DAMASKUS rtr/afp/dpa | Die syrische Armee und ihre Verbündeten haben Beobachtern zufolge mehr als ein Drittel der umkämpften Rebellen-Enklave Ost-Ghuta unter ihre Kontrolle gebracht. Vor einer Woche begannen die Regierungstruppen ihre Bodenoffensive zur Rückeroberung.

Bei den neuen Angriffen der syrischen Regierungstruppen auf die Rebellenenklave Ost-Ghouta sind nach Angaben von Aktivisten mindestens 14 Zivilisten getötet worden. Die Luftangriffe in der Nacht und am frühen Montagmorgen richteten sich gegen mehrere Orte in der Enklave östlich von Damaskus, wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag mitteilte. Allein bei Angriffen auf die Stadt Hammurijeh, auf die Fassbomben abgeworfen wurden, gab es demnach mindestens zehn Tote.

Ungeachtet der internationalen Forderungen nach einem Ende der Angriffe auf Ost-Ghouta hatte der syrische Machthaber Baschar al-Assad am Sonntag eine Fortsetzung der Armeeoffensive angekündigt. Die Mehrheit der Bevölkerung von Ost-Ghouta wolle „den Fängen des Terrorismus“ entkommen, sagte Assad vor Journalisten: „Der Einsatz muss weitergehen.“ Assad versicherte, Zivilisten hätten die Möglichkeit, die umkämpfte Enklave zu verlassen. Es gebe keinen Widerspruch zwischen einer Waffenruhe und der Fortsetzung der Kämpfe.

Auch syrische Rebellen in der umkämpften Enklave Ost-Ghuta haben russischen Angaben zufolge zugesichert, Zivilisten das Verlassen des Gebiets zu gestatten. Im Gegenzug sollten Hilfslieferungen in das Gebiet gebracht werden, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax am Montag unter Berufung auf das russische Militär. Russland, das mit der syrischen Führung verbündet ist, hatte zuvor eine Feuerpause ausgerufen, den Rebellen zugleich aber vorgeworfen, Bewohner am Verlassen des Gebietes zu hindern.

Seit Mitte Februar fliegen syrische Regierungstruppen mit russischer Unterstützung heftige Luftangriffe auf die Enklave Ost-Ghouta, wo sich Rebellen seit Jahren gegen die Armee behaupten. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden dabei bisher mehr als 700 Zivilisten getötet, darunter mehr als 160 Kinder. Seit einigen Tagen läuft zudem eine Bodenoffensive gegen die Rebellen. Die Angaben der Beobachtungsstelle, die sich auf ein Netz von Informanten vor Ort stützt, sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

Der UN-Sicherheitsrat hatte Ende Februar eine Resolution für eine einmonatige Waffenruhe in Syrien verabschiedet, die jedoch nicht umgesetzt wurde. Trotz einer von Russland vor einigen Tagen in Kraft gesetzten täglich fünfstündigen Feuerpause setzte die Armee ihren Vormarsch fort. Die syrische Armee hat nach Angaben der Beobachtungsstelle inzwischen mehr als ein Viertel der Enklave östlich von Damaskus unter Kontrolle.

Hilfskonvoi ohne lebensrettende Medizin

Erstmals seit der Eskalation der Gewalt im belagerten Ost-Ghuta hat eine große Hilfslieferung die syrische Region erreicht. Ein Konvoi aus Dutzenden Lastwagen sei am Montag in das heftig umkämpfte Gebiet nahe der Stadt Duma eingefahren, sagte die Sprecherin des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC), Ingy Sedki, der Deutschen Presse-Agentur. Die Lieferung besteht nach Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha aus medizinischen Hilfsgütern und Nahrung für 27.500 Menschen.

Viele „lebensrettende“ medizinische Güter hätten allerdings auf Druck der syrischen Regierung aus der Lieferung genommen werden müssen, berichtete Ocha. Diese durften auch nicht durch andere Gegenstände ersetzt werden. Dadurch seien 3 der 46 Lastwagen, die am Morgen gestartet waren, fast leer gewesen. Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge war unter dem blockierten Hilfsgütern das gesamte Material für die Behandlung von Verletzungen und für Operationen sowie Insulin und andere Dialyse-Artikel.

Die humanitäre Situation in Ost-Ghuta ist desaströs. Bewohner berichteten, es fehle an Essen sowie an Wasser und Strom. Ärzten mangele es an Material, sie müssten wegen der großen Zahl an Verletzten sehr lange am Stück arbeiten. In dem seit 2013 von der Regierung belagerten Ost-Ghuta sollen etwa 400.000 Menschen eingeschlossen sein.

In den kommenden Tagen sollen weitere Hilfslieferungen nach Ost-Ghuta folgen. „Die UN und ihre Partner haben die Genehmigung erhalten, Hilfe für 70.000 Menschen in Not zu liefern“, hatte Ocha zuvor mitgeteilt. An dem Konvoi vom Montag waren auch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) und der Syrische Rote Halbmond beteiligt.

Eine Forderung des UN-Sicherheitsrates Ende Februar nach einer 30 Tage langen Waffenruhe für ganz Syrien zeigte bislang keine Wirkung. Allerdings vermindert die syrische Regierung ihre Angriffe seit einer Woche täglich für eine fünfstündige Feuerpause.

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