Petition der Woche: Frauenrechte? Rechte Frauen!

Rechte hetzen unter #120db gegen Geflüchtete. Der Hashtag soll #MeToo Konkurrenz machen. Die Rapperin Sookee startet nun eine Gegenkampagne.

Sookee steht auf der Bühne und rappt

In der Identitären-Kampagne sieht Sookee ein Beispiel für die „Vereinnahmung feministischer Debatten für eine rassistische Agenda“ Foto: Imago/Christian Grube

Die jungen Frauen sitzen in Wohnzimmern, vor Ikea-Regalen und Rauhfasertapeten, an betont normalen Orten. Ernst schauen sie in ihre Webcams. „Ich wurde in Kandel erstochen, ich wurde in Malmö vergewaltigt, ich wurde in Rotherham missbraucht“, sagen sie. „Es dauerte stundenlang, keiner war da, um mir zu helfen.“

Seit Ende Januar kursiert das Video unter dem Hashtag #120db im Netz. Doch was anfangs wie ein Ableger der #MeToo-Initiative wirkt, entpuppt sich schnell als rechte Hetze. Die Frauen beziehen sich einzig auf die Opfer von Sexualverbrechen, bei denen die Täter einen Migrationshintergrund hatten. Begleitet von dramatischer Musik erklären sie Einwanderer zu den Hauptverantwortlichen sexualisierter Gewalt. „Wir sind nicht sicher, weil ihr euch weigert, unsere Grenzen zu sichern“, klagen sie die Regierung an.

Der Name der Kampagne – 120 Dezibel – leitet sich von der Lautstärke eines handelsüblichen Taschenalarms ab, der sich laut den Initiatoren mittlerweile in jeder Frauenhandtasche befinde. Ein Blick in das Impressum der Kampagne verrät, wer dahintersteckt: Die Seite ist auf den Namen von Daniel Fiß angemeldet, er gehört dem Bundesvorstand der Identitären Bewegung an. Die rechte Gruppierung wird schon seit Längerem vom Verfassungsschutz beobachtet.

Besonders wütend machte das Hetzvideo die Berliner Rapperin Sookee. Mitte Februar startete sie eine Gegenkampagne in Form einer Petition auf change.org unter dem Hashtag #no120db. Dazu schrieb sie einen Rap, in dem sie den rechten Ideologen entgegnet. „Sie sagen Gewalt sei ein importiertes Phänomen / häusliche Gewalt hingegen bleibt völlig unerwähnt / weiße deutsche Täter offenbar kein Problem“, rappt sie. Ihr Fazit: „Ihr seid nicht für Frauenrechte, ihr seid rechte Frauen.“

Die Identitären reagierten

Sookee gehört zu den bekannten Stimmen des Queerfeminismus in Deutschland. In der Identitären-Kampagne sieht sie ein perfektes Beispiel für die „Vereinnahmung feministischer Debatten für eine rassistische Agenda“. Das „eingegrenzte Täter- und Opferbild“ ist Sookees Problem. „Wären sie wirkliche Feministinnen, hätten sie ein globales Verständnis von Frauensolidarität“, sagt sie.

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Es folgten weitere Protestvideos, etwa von den Poetry-Slammerinnen Lisa Christ und Carmen Wegge. Die Petition hat mittlerweile über 30.000 Unterschriften. Die Identitären reagierten, indem sie auf ihrer Website auf eine Kriminalstatistik von 2016 verweisen. Sie würde beweisen, dass die Anzahl sexueller Übergriffe mit den zunehmenden Einwanderungszahlen steigt.

Es gibt jedoch Gründe dafür, weshalb solche Statistiken nicht sehr aussagekräftig sind. Etwa werden Sexualdelikte von Ausländern prozentual häufiger angezeigt als die von Deutschen oder von Familienmitgliedern. Auf der #120db-Website wird auf die Tücken von Kriminalstatistiken nicht eingegangen, stattdessen werden die Zahlen nach eigenen Zwecken ausgelegt.

Übrigens trafen die Anhänger der beiden Dezibel-Kampagnen nicht nur im Netz, sondern auch schon auf der Straße aufeinander. Im vergangenen Monat hatten sich AfD-Mitglieder und Anhängerinnen von #120db in Berlin zu einem „Marsch der Frauen“ versammelt. Weit kamen sie jedoch nicht, da ihnen von den #no120db-Unterstützern der Weg versperrt wurde.

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