Erkämpfte Erinnerung

Nach jahrelangem Einsatz von Nachkommen erinnert ab Donnerstag in Zetel eine Gedenktafel an die vor 75 Jahren von dort deportierten Sinti

Von Ralf Lorenzen

Am Morgen des 8. März 1943 wurden Grete Frank und ihre sechs Kinder in Zetel-Bohlenberge verhaftet und zusammen mit der älteren Tochter Margot, die in Varel wohnte, zum Bremer Schlachthof gebracht. Der aus der Wehrmacht ausgeschlossene Vater, der Artist Georg Frank, war bereits dort. Im Schlachthof auf der Bürgerweide befand sich der Sammelpunkt für die fast 300 Sinti und Roma aus Nordwestdeutschland, die in diesen Tagen vor 75 Jahren vom Bremer Hauptbahnhof nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Bis auf Margot und ihren später verschleppten Bruder Anton überlebte niemand aus der Familie Frank das sogenannte „Zigeunerlager“ in Birkenau.

An die Eltern und die sechs ermordeten Kinder erinnert ab Donnerstag eine Gedenkstele im friesländischen Zetel-Bohlenberge. Für Menni Christel Schwarz, den Sohn von Margot Schwarz, geht damit ein langer Kampf zu Ende. Die Gemeinde Zetel hatte sich geweigert, eine Gedenktafel für die Franks aufzustellen. Sie verwies stets auf die seit 2008 bestehende Gedenktafel, die an „alle Opfer von Gewalt und Krieg“ erinnert. Bereits bei deren Einweihung hatte Schwarz es abgelehnt, eine Rede zu halten. „Wir können nicht zulassen, dass man Opfer und Täter vermischt“, sagte Schwarz der taz.

„Die Gemeinde hat vor über zehn Jahren in einer Arbeitsgruppe mit allen Kulturträgern und den Kirchen über die Gedenkkultur in der Gemeinde Zetel beraten“, sagte Bürgermeister Heiner Lauxtermann der taz. „Ergebnis war, dass wir uns für zwei Glastafeln bei den Ehrenmälern in Zetel und Neuenburg entschieden haben. Inhaltlich wird darin das Totengedenken der Bundespräsidenten zum Volkstrauertag zum Ausdruck gebracht. Damit wollte der Arbeitskreis zum Ausdruck bringen, dass niemand, an dem Unrecht verübt wurde, vergessen wird.“

Dass es jetzt doch einen Gedenkort für die ermordeten Sinti und Roma aus Zetel geben wird, verdankt sich nicht einem Umdenken der Gemeinde, sondern der vom Landkreis getragenen Initiative Erinnerungsorte Friesland, die unter Federführung von Antje Sander, Leiterin des Schlossmuseums Jever, ein Grundstück zur Verfügung gestellt hat. Für Schwarz hat diese Unterstützung, zu der auch das Gröschlerhaus in Jever und die Grünen im Zeteler Gemeinderat beigetragen haben, große Bedeutung. „Es heißt ja immer: Das darf nie wieder passieren“, sagt Schwarz. „Aber jetzt haben wir gesehen, dass es Menschen gibt, die es auch ernst meinen. Jahrelang haben wird nur Nackenschläge bekommen, aber jetzt haben wir um Hilfe gebeten und die auch bekommen.“ Es sei auch ein wichtiges Sig­nal an die jungen Sinti, dass es sich lohne, sich für eine Sache einzusetzen.

„Wenn der Landkreis Friesland mit seinen Orten der Erinnerung einen anderen Weg wählt, ist das erst einmal zu akzeptieren“, sagt Bürgermeister Lauxtermann. Persönlich begrüße er das, eine Bewertung der Gemeinde könne er aber nicht geben. Der Bürgermeister ist zur Einweihung eingeladen. Auch andere Ratsmitglieder sind willkommen. „Wir können vergeben“, sagt Christel Schwarz. „Aber Reden werden nur unsere Unterstützer halten.“