Kolumne Liebeserklärung: Spottgesang der Blaukehlchen

Auch dieses Jahr wollten sich Rechte wieder in Themar treffen. Keiner schien das verhindern zu können. Zum Glück gibt es den Naturschutz.

taz Liebeserklärung

Vielleicht lauert auf dem nächsten Grundstück das Braunkelchen. Dem könnten die Rechten nicht böse sein, oder? Illustration: TOM

Einer muss es ja machen. Wenn schon Vernunft und gute Argumente nichts bewirken, dann müssen halt Juchtenkäfer oder Kleine Hufeisennase ran, um den gröbsten Unsinn zu verhindern oder wenigstens zu bremsen. Nicht umsonst unkte der Pharmamolch Jens Spahn missvernügt: „Wir müssen endlich verhindern, dass jeder vermutete Nistplatz von Lurchen etwas jahrelang verhindern kann.“

Diesmal sind es allerdings sichere Nistplätze von Vögeln, die eine besonders unappetitliche Umweltverschmutzung verhindern: 2017 fand im thüringischen Themar ein Aufmarsch von 6.000 Halb-, Ganz- und Anderthalb­nazis unter dem Motto „Rock gegen Überfremdung“ statt. Aus der geplanten Wiederholung im August scheint nun erst mal nichts zu werden. Weil am angrenzenden See Blaukehlchen nisten, wurde die Reichssause gemäß Bundesnaturschutzgesetz verboten, denn sie stelle eine „erhebliche ­Störung“ dar. Und das kann man ja wohl auch sagen.

Ausgerechnet das Blaukehlchen verhindert also, dass Tausende Schweralkoholisierte zu Klängen von Bands wie Stahlgewitter, Blutzeugen oder Flak mitgrölen. Deren Fans jetzt ziemlich beleidigt reagieren, obschon ihnen sonst immer so sehr am Schutz ihrer Heimat gelegen ist, zu der die heimische Tierwelt aber doch ganz unzweifelhaft gehört.

Aber die kleinen Vögel sind den Hinterwäldlern ohnehin ein paar Schnabellängen voraus. Während die einen ihr freudloses Leben dauerhaft in Thüringen oder ähnlich tristen Landstrichen verbringen, ziehen die Blaukehlchen im Winter lieber dorthin, wo es schön ist: nämlich nach Nordafrika. Von dort kehren sie jetzt im Frühjahr allmählich zurück. Es sind also waschechte Migranten aus dem Maghreb, die in Thüringen die Drecksarbeit erledigen, den Rechten den Mund zu verbieten. Wie hübsch, dass sie das auch noch mit besonders intensivem Spottgesang – heißt wirklich so! – verbinden.

Der Veranstalter mit der Überfremdungsparanoia hat derweil angekündigt, vor Gericht gegen das Verbot vorzugehen. Sollte er damit scheitern, will er auf ein anderes Grundstück aus­weichen. Wenn da mal nicht schon das Braunkehlchen lauert. Das ist nämlich noch strenger geschützt. Und was könnten grölende Nazis schon gegen ein richtiges Braunkehlchen vorbringen?

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

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