Ohne die Alten geht es nicht

Spaniens Trainer Julen Lopetegui beklagt vorm Fußball-Länderspiel gegen Deutschland das Fehlen von Schlüsselspieler Sergio Busquets

Umschifft alle Klippen: Julen Lopetegui Foto: imago

Von Florian Haupt

Eine Vorahnung von Abschied begleitete die spanische Nationalmannschaft auf ihrem Flug nach Düsseldorf. In der Nacht zuvor hatte Andrés Iniesta ein Radiointerview gegeben, in dem er die anstehende WM als seinen „möglicherweise“ letzten Auftritt für sein Land ankündigte. Und da es um Iniesta geht, ist das schon ein gehöriger Einschnitt.

Der 33-jährige Mittelfeldspieler vom FC Barcelona ist in der spanischen Fußballmythologie ja nicht irgendeiner. Er ist nicht nur der wohl feinste Kicker unter vielen feinen Kickern, die dieses Land hervorgebracht hat. Iniesta schoss auch das Tor zum einzigen WM-Titel der Geschichte, in der 117. Minute des Finals 2010 gegen Holland. Wie sonst nur noch sein bereits abgetretener Kompagnon Xavi Hernández steht er für die große Zeit der Selección mit drei Turniersiegen hintereinander, eine Zeit, die einerseits längst vorbei ist. Und andererseits immer noch alles überstrahlt.

So formvollendet kreiselte der Fußball um Xavi und Inies­ta, dass er für alle Welt zum Muster wurde, auch für die deutsche Nationalelf unter Joachim Löw. Doch zu einem Duell auf Augenhöhe ist es nie gekommen. Als man sich zuletzt bei einem Turnier begegnete, 2010 im Halbfinale, war eine junge deutsche Mannschaft noch im Lernprozess. Als sie ausgereift war, bei ihrem Turniersieg 2014, verabschiedeten sich die Spanier in der Gruppenphase, es war das traumatische Ende des goldenen Zeitalters, und die EM 2016 die Fortsetzung der Agonie. Bevor es im Viertelfinale gegen Deutschland gegangen wäre, scheiterte Spanien an Italien.

Danach wurde ein neuer Trainer betraut mit dem, was Del Bosque mal den „sanften Übergang“ zwischen den Generationen nannte: der Baske Julen Lopetegui, 51. Einst Torhüter, dann Coach im spanischen Nachwuchsbereich und im Nachbarland beim FC Porto, tritt er nach außen trocken, nach innen temperamentvoll auf, und hat bislang alle Klippen souverän umschifft: eine schwierige Qualifikationsgruppe mit Italien, die vor allem über den polarisierenden Barça-Verteidiger Gerard Piqué ins Team drängende Politik mit der Katalonienfrage und das monatelange Chaos im spanischen Fußballverband nach der Zwangsabsetzung des Präsidenten Ángel María Villar wegen Korruptionsverdachts.

Vorm Gastspiel in Deutschland fehlt mit dem verletzten Sergio Busquets der systemrelevanteste Spieler. Ohne seine Antizipationsfähigkeit und sein taktisches Verständnis bröckelt leicht die Kontrolle, neigt selbst die so stilsichere Selección zu chaotischen Spielverläufen wie zuletzt beim schmeichelhaften 3:3 in Russland, nach dem Lopetegui haderte: „Busquets ist fundamental. Ich will nicht sagen, dass er unersetzlich ist, aber …“ Mit Torwart De Gea, Verteidiger Carvajal von Real Madrid, insbesondere dessen Vereinskollegen Isco und oft auch Bayerns Thiago hat Lopetegui einige Spieler in die Stammelf befördert, mit denen er 2013 die U21-EM gewann. Und doch steht die Personalie Busquets für eine Erkenntnis, die sich bei allem Wunsch nach Verjüngung nicht ignorieren lässt: Ohne die Alten geht es nicht.