Kolumne Habibitus: Lauter als jede Kirchenglocke

Unbekannte haben das Hakenkreuz an einer Kirchenglocke weggeflext. Statt sich freuen, platzt dem Wutbürger der Kragen.

Kirchenglocke: Das Hakenkreuz ist nicht mehr zu sehen

Die Glocke aus Schwering nach dem Frühjahrsputz Foto: dpa

Was sagt man, wenn Leute ein Nazisymbol von einer Kirchglocke entfernen? Ganz einfach: Dankeschön! Für manche Almans scheint das nicht so simpel zu sein. Seit Ewigkeiten klebte im niedersächsischen Schweringen das Hakenkreuz wie Hundescheiße bei einem Spaziergang durch Neukölln an der Glocke der Dorfkirche.

Man hätte eigentlich schon 1945 darauf kommen können, das Hinterbleibsel aus dem Nationalsozialismus zu vernichten. Bei einem Frühjahrsputz nahmen sich anonyme Held_innen die Straßenweisheit „Antifa ist Handarbeit“ zu Herzen und machten das, was schon so lange fällig war: Das Hakenkreuz wurde weggeflext. Ein schöneres Ostergeschenk hätte man der Gemeinde kaum machen können.

Aber wie Almans nun mal so sind, blicken nicht alle dem Geschenk euphorisch entgegen. In den Kommentarspalten platzen Wutbürger_innen wie ein Joghurtbecher in der Waschmaschine. Sie tun das, was sie am besten können: jammern und absurde Vergleiche herstellen. Dieser Akt der Selbstverständlichkeit sei Vandalismus. Ja, Sachbeschädigung „historischer Kunst“! Sprechen wir hier nicht eher von einem ultimativen Upgrade für jeden Kirchenfan, der dieses Gebäude als Ort des Friedens genießt?

Glockengebimmel nervt

Ein Vielzahl der selbsternannten Opfer beklagen, dass die Verschönerung der Glocke bestimmt ihren Klang beeinflussen würde. Ah, der Klang der Demokratie, wer liebt ihn nicht? Ob das stimmt, wird derzeitig geprüft. Zumal anfangs niemand bemerkt hat, dass die Glocke überhaupt berührt wurde, bezweifle ich, dass es so schwerwiegende Veränderungen sein können. Aber selbst wenn: Ist das nicht egal? Glockengebimmel nervt doch eh. Niemand würde denken: „Ich mach das jetzt statt meines Yann-Thiersen-Goodbye-Lenin-Soundtrack-Klingeltons aufs Handy!“

Ein anderer Mensch mit Jammer-Abo befürchtet, dass morgen Teile der Autobahn fehlen würden, weil, genau, ohne Hitler gäbe es die vermutlich nicht. Als ob sonst niemand anderes auf die Idee gekommen wäre. Ein Nazi-Symbol mit so etwas wie die Autobahn, die zufällig in der NS-Zeit entstanden ist, zu vergleichen, ist nicht nur peinlich, sondern auch absurd.

Andere bezeichnen die Beseitigung verfassungswidriger Symbole als extremistisch. „Eine unschuldige Glocke“, heult jemand und zeigt, dass nicht nur Hunde, sondern sogar Gegenstände mehr Mitgefühl in diesem Land bekommen als nicht-weiße Menschen, denen täglich richtige Gewalt angetan wird.

Eigentlich ist das ja auch ein religiöses Symbol, finden so ein paar Leute. Hitler hat sich das selber abgeguckt. Um es mit Guido Westerwelle zu sagen: Es ist Deutschland hier. In diesem Land hat dieses Symbol exakt eine Bedeutung. Und die ist menschenfeindlich. Sie prägt eine Ära der Geschichte, die niemals vergessen werden darf. Kein edgy Tattoo der Welt und keine noch so fröhliche Kirchenglocke wird daran etwas ändern können.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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