Kolumne Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Jens Spahn will eine alleinerziehende Mutter treffen, Puigdemont wird nicht ausgeliefert, Großbritannien und Russland zanken sich weiter.

Jens Spahn am Rednerpult

Spahn trifft die Frau, die auf seine Äußerung zu Hartz IV hin eine Petition gegen ihn gestartet hat Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Bayern und Merkel tauschen ihre Saisonergebnisse.

Und was wird besser in dieser?

Also nichts.

In Münster steuert ein Mann ein Fahrzeug in eine Menschenmenge und tötet zwei Menschen und anschließend sich selbst. Sein Motiv ist noch unklar. Direkt danach war für viele die Frage wichtig, ob es ein Anschlag, Attentat oder Amok war. Ist das wirklich relevant?

Nee, nur schlimm. Weil man sich bei Erleichterung ertappt – für AfDler: Enttäuschung – wenn’s nur ein handelsüblicher Psychopath war und somit kein Brandbeschleuniger für allfällige Hassdebatten.

Gesundheitsminister Jens Spahn will seine Kritikerin Sandra Schlensog treffen. Die alleinerziehende Mutter hatte eine Petition gegen ihn gestartet, nachdem Spahn behauptet hatte, von Hartz IV zu leben bedeute keine Armut. Was wird Spahn ihr bloß erzählen?

„Halt still fürs Foto.“ Und wir alle werden unseren Pressspahn sehen, wie er lümmelcharmant im Kopf die Mediareichweite überschlägt, während Frau Schlensog nicht weiß, wer ihr geschieht. Interessant der Twist dahinter: Während die SPD sich zur Anti-Hartz-Partei umschminkt, geht der Rechtspopulist für Schröders Erbe in die Bütt. In weiteren zehn Jahren dürften sich damit die politischen Verhältnisse sortiert haben. Frau Schlensogs Kind ist dann aus dem Haus.

Während die SPD sich zur Anti-Hartz-Partei umschminkt, geht der Rechtspopulist Spahn für Schröders Erbe in die Bütt

Deutschland liefert den katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puidgdemont nicht aus, sondern lässt ihn erst mal frei. Spanien reagiert mit Zurückhaltung. Ende gut, alles gut?

„Unglückliche Aussagen“, die „zu diesem Zeitpunkt nicht passend sind“, wirft Spaniens Außenminister der deutschen Justizministerin Barley vor – das war’s. Auf der nach unten offenen Skala diplomatischer Hüstelkultur ist das ein minimaler Wattebausch, gerade dieser Tage. Kurz: Spanien scheint nicht unglücklich über einerseits die Anerkenntnis seines Haftbefehls, andererseits die artgerechte Haltung des Dissidenten freilaufend im Ausland. Deutschland hat seinen europäischen Rechtspflichten genügt und sich gleichwohl vornehm zurückgehalten. Alles gut.

Der russische Ex-Spion Sergei Skripal, der Opfer eines Giftanschlags in London wurde, befindet sich nicht mehr in kritischem Zustand. Die Vertreter Russlands und Großbritanniens streiten sich derweil im UN-Sicherheitsrat über den Fall. Bahnt sich ein neuer Kalter Krieg an?

Russland spielt sein Blatt routiniert runter: Unterstreicht die Zuständigkeit der Organisation gegen Chemiewaffen, bringt die Causa vor die UN, lädt zum Botschaftergespräch. Das mag und soll Unentschiedene beeindrucken und wirft die Frage auf, wie selbstherrlich dumm Großbritannien agiert, dass es wie ein pöbelnder Rotsünder von einem vermeintlich nüchternen Schiedsrichter vorgeführt werden kann. Korrekt wäre, wenn Kläger und Beklagter ausschieden aus der Wahrheitsermittlung. Dass dem nicht so ist, belegt: Wir sind mittendrin im Kalten Krieg.

Nächste Woche steht Facebook-Chef Zuckerberg dem US-Kongress Rede und Antwort. Vom Datenskandal um Facebook sollen anscheinend vielmehr Profile betroffen sein, als bisher bekannt – 87 Millionen! Was würden Sie mit diesen Daten so anstellen?

Lachen? Zuckerberg räumt inzwischen ein: Jeder, der – auf dringlichstes Pop-Up-Betteln von Facebook übrigens – je seine Telefonnummer eingegeben habe, könne davon ausgehen, „dass die meisten öffentlichen Nutzer-Profile in dieser Art kassiert worden sein können“. Reden wir also über zwei Milliarden weltweiter Nutzer minus eine Dunkelziffer Schlauberger, die ihre Telefonnummer nicht angegeben haben. Ironisch, wie Zuckerberg nun die Europäische Datenschutzverordnung preist und „die gleichen Kontrollen und Einstellungen“ verspricht: blutjunge Moguln zum Anstand gezwungen. Markus Beckedahl von netzpolitik.org schlägt einen Fonds vor, um ein neutrales europäisches Netzwerk zu ­errichten. Im Presseclub der ARD! Hoffentlich merkt sie nichts.

Zeit-Journalist Jens Jessen jammert in der aktuellen Titelgeschichte über #MeToo. Er fühle sich als Mann diskriminiert von diesen Feministinnen und ihren Pauschalverurteilungen. Haben Sie auch Angst vor feministischem Terror?

Hätten Frauen vor 40 Jahren erst mal die Herren gefragt, wie sie sich eine adrette Frauenbewegung vorstellten – die Welt wäre voller Häkelkreise. Das Ergebnis für Frauen wäre hilflose Wut und also das, was der Kollege da raushaut. Hier hätte die Zeit mit dem vollständigen Abdruck von Grönemeyers 1984er Text „Männer“ Gleiches günstiger erreicht. Und mehr: Durch den Aufsatz weht die Verzweiflung desjenigen, der beim Auswärtsspiel null zu sieben hinten liegt und nun grübelt, ob Fußball und auswärts überhaupt so sein Ding sind. Von der Frauenbewegung lernen heißt: einen Dreck geben auf spottende Häme – und eigene Ziele definieren. Die Selbstdefinition des Mannes als munter eiternder Blinddarm der Frauenbewegung ist eine Gasse ohne Sack.

Und was machen die Borussen?

Am 21. April spielt Rot-Weiss Essen gegen Alemannia Aachen, irgendwas zwischen zehn- und zwanzigtausend Zuschauern werden erwartet. In der vierten Liga, Elfter gegen Dritter. Falls mal jemand „echte Liebe“ sehen will.

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ist Journalist, Autor und Fernsehproduzent. In der taz veröffentlicht er jede Woche die Interviewkolumne „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?“. Bekannt wurde er vor allem durch die Moderation der TV-Serie „ZAK“ (WDR-Politiksendung), für die er 1991 den Adolf-Grimme-Preis erhielt.

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