Kommentar Militärschlag gegen Syrien: Menschlichkeit ist nicht möglich

Man kann es nur zündeln nennen: Die USA und ihre Partner haben auf einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien militärisch reagiert.

Assad und Putin

Wie werden sie reagieren? Bashar al-Assad und Wladimir Putin (r.) Foto: Reuters

Schon lange geht es in Syrien nicht mehr um einen Regime-Change. Der Diktator Baschar al-Assad ist Sieger in einem Krieg gegen sein eigenes Land. Nach dem Giftgaseinsatz in Douma muss allein die Frage von Moral und Menschenrechten von grundsätzlicher politischer Verantwortung die Leitplanke für Entscheidungen über Kriegseinsätze sein. Das ist gewissermaßen kleiner und größer als die politische Zukunft Syriens zugleich.

Es gibt gute Gründe, Assad mit einem Giftgaseinsatz nicht davonkommen zu lassen. Wenn ein Diktator seine eigene Bevölkerung vergast, kann das nicht unbeantwortet bleiben. Dafür haben sich mindestens die Deutschen einem moralischen „Nie wieder“ verpflichtet. Das Völkerrecht nach dem Genfer Protokoll ächtet eindeutig den Einsatz von Giftgas, dessen Verwendung schließt einen Staat aus der zivilisierten Welt aus, weil damit ein Mindestmaß an Menschlichkeit nicht mehr garantiert ist.

Ein UN-Mandat für Angriffe auf die Infrastruktur der Unmenschlichkeit, auf Lagerstätten, Produktion oder Militärflughäfen ist damit zwar noch kein Automatismus. Aber ein UN-Mandat wird es in der aktuellen weltpolitischen Konstellation ohnehin nicht geben. Es bleiben die moralische Verpflichtung und das geltende Völkerrecht. Der französische Präsident Emmanuel Macron verweist auf Beweise für die Täterschaft von Assads Truppen. Braucht es noch mehr Argumente?

Jede militärische Aktion aber, die auf mehr als eine Bestrafung und einen Nadelstich gegen die Infrastruktur des Giftgases zielte, wäre vergeblich. Assad kann sich seiner Stellung wieder sicher sein. Russland verhindert im UN-Sicherheitsrat jede Aktionen der Vereinten Nationen gegen den syrischen Diktator. Und im vergangenen Herbst 2017 wurde die Zukunft Syriens ganz ohne Beteiligung der USA oder der EU ausgemacht.

Die Einflussbereiche sind längst aufgeteilt

Russland, der Iran und die Türkei vereinbarten bei einem Treffen in Astana, Kasachstan zwar formal Sicherheitszonen für die syrische Bevölkerung. Im Kern ging es aber um die Aufteilung der Einflussbereiche. In Folge dessen ist nicht nur Assad restauriert und hat Russland einen ständigen militärischen Stützpunkt am Mittelmeer. In Rufweite Israels installieren sich auch dauerhaft die Hisbollah-Milizen als iranisches Instrument. Und die Türkei hat große Handlungsfreiheit in den kurdischen Gebieten.

Ein „nation building“ in Syrien findet längst statt – nur nicht so, wie es den westlichen Demokratien gefallen kann

In den Genfer UN-Friedensprozess für Syrien braucht man nun erst recht keine Hoffnung zu setzen. Das auch von Großbritannien, Frankreich und Deutschland angestrebte nation building findet längst statt, nur nicht so, wie es den westlichen Demokratien gefallen kann.

Und eine größer angelegte militärische Operation wäre nur zum Preis einer echten Konfrontation zwischen den USA und Russland, zwischen Iran und Israel zu haben. Dieser Preis ist viel zu hoch.

Ultima Ratio des Krieges

Also sind begrenzte Angriffe als Bestrafungsaktionen wie in der Nacht zu Samstag das richtige Mittel? Zur Verteidigung des Bündnisses zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich wird angeführt, der US-Präsident würde es nicht riskieren, die Situation zu einer weltpolitischen Krisenlage zu eskalieren.

Die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre hat indes gezeigt, dass man nur noch sehr wenig sicher vorhersagen kann. Erst recht nicht, wenn der US-Präsident eine Rolle dabei spielt. Die politischen Entscheidungen Trumps liegen in den bewährten Händen von Fox News und seinem neuen Nationalen Sicherheitsberater John Bolton. Dieser hatte schon 2015 für schmerzhafte Angriffe auf Syrien geworben. Zumal Wladimir Putin ein gleichermaßen unberechenbarer Gegner ist.

Nein, die Ultima Ratio des Krieges darf nur eingesetzt werden, wenn man Partner hat, auf die man sich verlassen kann. Der Angriff auf ein, trotz allem, souveränes Land, kann nur mit einem kalkulierbaren Risiko das letzte Mittel sein. Eine Entscheidung gegen die Luftangriffe ist in Syrien immer eine Entscheidung gegen die Menschlichkeit.

In dieser Allianz aber kann man es nur zündeln nennen. Noch sind die Konsequenzen der Luftschläge nicht abzusehen. Es ist völlig unklar, auf welchem geografischen oder digitalen Schlachtfeld Russland reagiert und wie die Antwort des Iran ausfällt.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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