Ministerin gegen Tierschutzvereine: Gemeinnützigkeit in Frage gestellt

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) führt selbst einen Milchviehbetrieb und will Tierschutzaktivisten das Leben schwer machen.

Tierschützer halten Plakate und ein Kreuz in die Luft.

Was wohl die Ministerin dazu sagt? Aktion der Organisation „Deutsches Tierschutzbüro“ Foto: dpa

HANNOVER taz | Dass Tierrechtler nachts in Ställe eindringen und Missstände in der Tierhaltung filmen, ärgert die große Koalition in Niedersachsen. Schon im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU ihre Haltung dazu klar gemacht: „Tierschutz erfordert Zusammenarbeit und Vertrauen aller Beteiligten. Stalleinbrüche stehen dem entgegen und werden von uns strikt abgelehnt.“ Jetzt geht Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) einen Schritt weiter. Sie will die Gemeinnützigkeit von bestimmten Tierschutzverbänden prüfen – und erntet dafür große Kritik von den Grünen.

So ärgert sich etwa Ex-Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) auf Facebook: „Erst wird der Tierschutzplan beerdigt, nun sollen Kritiker*innen mundtot gemacht werden.“ Auch die Abgeordnete Miriam Staudte (Grüne) hält den Vorstoß der Ministerin für falsch. „Es ist grundsätzlich richtig, dass Tierschutzorganisationen als gemeinnützig anerkannt sind.“ Schließlich sei der Tierschutz in der Verfassung verankert, sagt Staudte.

In den vergangenen Monaten haben sowohl das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg als auch der Bundesgerichtshof im Sinne der Tierschützer, beziehungsweise der Medien, geurteilt, die heimlich gemachte Videos aus Ställen veröffentlicht hatten. Das OLG ging bei seinem Urteil von einem „rechtfertigenden Notstand“ aus, denn dem „Tierwohl“ habe eine dauerhafte Gefahr gedroht.

„Ich kann mich den Gerichten nur anschließen“, sagt Staudte. Das Grundproblem sei, dass die Veterinärbehörden in den Landkreisen zu wenig Personal hätten, um die Höfe zu kontrollieren. „Manchmal fehlt auch der notwendige Nachdruck“, sagt Staudte.

Gerade in Regionen, in denen die Nutztierhaltung eine massive wirtschaftliche Rolle spiele, seien die Landkreise selbst zu dicht dran. Den Vereinen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, sei vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll. „Stattdessen sollten die Veterinäre, die kontrollieren, nicht aus dem Landkreis kommen, in denen die Tierhalter ihre Steuern zahlen“, sagt Staudte.

Das Verhalten von Personen oder Vereinen ist gemeinnützig, wenn es dem Gemeinwohl dient.

Im Gesetz heißt das: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“

Dabei geht es beispielsweise um die Förderung der Kunst, des Sports, der Heimatpflege, aber auch des Tierschutzes.

Vereine, die als gemeinnützig anerkannt sind, haben oft steuerliche Vorteile, etwa bei der Ertrags- oder Vermögenssteuer.

Die Ministerin steht zu ihrer Forderung, die Gemeinnützigkeit von Vereinen zu überprüfen, deren Aktivisten in Ställe eindringen. „Einbruch ist Einbruch und das ist nicht akzeptabel“, sagt Ministeriumssprecherin Natascha Manski. Einbrüche stellten grundsätzlich eine strafbare Handlung dar. „Insbesondere aber dann, wenn die Tierschutzverstöße erst Wochen später an die zuständigen Veterinärbehörden übermittelt werden, hat dies nichts mehr mit Tierschutz zu tun.“

Die betroffenen Tierschutzvereine kritisieren die Ministerin, die selbst mit ihrem Mann einen konventionellen Milchviehbetrieb in Bad Münder führt, heftig für ihren Vorstoß. „Otte-Kinast ist Täterin“, sagt Edmund Haferbeck von der Tierrechtsorganisation Peta. Täglich fänden in Ställen „millionenfach Rechtsbrüche“ statt. Wer dies verteidige, statt die Tiere zu schützen, müsse sich selbst Mittäterin schelten lassen.

Der Peta-Sprecher kritisiert auch die Wortwahl der Ministerin. Sie wisse genau, dass es sich bei den Aktionen von Tierrechtsaktivisten nicht um Einbrüche handele. „Einbruch ist immer mit einer Bereicherungsabsicht verbunden“, sagt Haferbeck. „Kein Tierrechtler bricht ein. Sie stehlen nichts.“

Ähnlich sieht das Sandra Franz von Animal Rights Watch (Ariwa). „Die Grundannahme ist falsch“, sagt sie. „Es ist einfach krass, dass die Politik die Überbringer der Botschaft kriminalisieren will und gegen die Zustände in den Ställen nichts tut.“ Otte-Kinast habe ein persönliches Interesse daran, dass sich die Bedingungen in der Tierhaltung nicht veränderten.

Die Videoaufnahmen von Aktivisten, mit denen auch Ariwa zusammen arbeitet, hält sie für alternativlos. „Ansonsten wüsste die Öffentlichkeit nicht, wie es in den Ställen aussieht“, sagt Franz.

Der Vorstoß der Ministerin beschäftigt auch den Koalitionspartner. Karin Logemann, die agrarpolitische Sprecherin der SPD, sieht die heimlichen Filmaufnahmen von Tierschützern selbst kritisch. „Das ist eine Form von Hausfriedensbruch“, sagt sie. Dennoch frage sie sich, wo eigentlich der Spielraum der Ministerin für eine solche Entscheidung liege.

Laut dem niedersächsischen Finanzministerium treffen die Finanzämter die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit eines Vereins. So eine Anerkennung hänge von vielen Faktoren ab, sagt Sprecher Kai Bernhardt. „Auch davon, ob sich der Verein innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt.“ Die Agrarministerin ist allerdings nicht dafür zuständig, das zu bewerten.

Der CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer hält eine ergebnisoffene Prüfung für sinnvoll. Peta habe in der Vergangenheit Aktionen gemacht, die eine Grenze überschritten hätten. Dennoch sei die Gemeinnützigkeit solcher Vereine auch aus CDU-Sicht nicht „das dringendste Anliegen der Welt“.

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