Polnisches Filmfestival in Berlin: Mehr Freiheit als Ideologie

Trotz Forderungen in der Heimat nach einem „patriotischen Kino“ bietet „FilmPolska“ ein überwiegend aufregendes und kritisches Programm.

Der polnische Regisseur Michał Waszyński (r.) im italienischen Exil Foto: Edition Salzgeber

in polnischer Prinz in Italien, tadellose Manieren, ein großer Regisseur und Produzent, Krieg, Holocaust, Exil, ein polnisch-jüdisches Schicksal: Wer war Michał Waszyński, der 1965 nach einem Herzinfarkt in Madrid starb? Dieser Frage haben sich Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski in ihrer Dokumentation „Der Prinz und der Dybbuk“ angenommen, mit der „FilmPolska“, das polnische Filmfestival in Berlin, am Mittwoch eröffnet wurde.

Michał Waszyński, dem die beiden Filmemacher nachgespürt haben, auf dessen Konto etwa ein Viertel aller polnischen Produktionen der 30er-Jahre geht und der sich später, im italienischen Exil, gerne mit Weltstars wie Audrey Hepburn oder Sophia Loren zeigte, ist heute fast vergessen. Niewiera und Rosołowski ist eine eindrucksvolle, rührende Dokumentation gelungen, die die beiden in die Ukraine, nach Italien und Israel geführt hat.

Sie haben Zeitzeugen interviewt und schaffen so etwas, was selbst zu Waszyńskis Lebzeiten eine Sensation gewesen wäre: Sie zeichnen seine ­Biografie und ein Bild seiner Selbstzweifel und seiner Isoliertheit nach. Denn über seine Herkunft aus einer chassidischen Familie und den Holocaust sprach der Regisseur so gut wie nie.

Feinfühlige Biografie

„Der Prinz und der Dybbuk“, der am Sonntag noch mal läuft, ist also ein feinfühliger und vorsichtiger Einstieg ins Festival, zudem einer, der zwar eine außergewöhnliche, aber auch eine typische polnische Biografie vor dem Hintergrund von Katastrophe und Erfolg zeigt.

Die Auswahl von FilmPolska, das noch bis zum 2. Mai dauert und dieses Jahr in die 13. Runde geht, ist überdies vielfältig. Neben Filmen international bekannter polnischer Regisseure wie Agnieszka Holland oder Andrzej Wajda oder Blockbustern der vergangenen Jahre wie „Miasto 44“, ein blutiges, ästhetisch aufgepumptes Epos über den Warschauer Aufstand, werden auch kleinere, neue Produktionen gezeigt, wie das Jugenddrama „Plac Zabaw“ (deutsch: „Spielplatz“) von Bartosz M. Kowalski, das 2016 seine Premiere feierte.

Bei all den bedrückenden, überwiegend historischen Themen, denen sich das polnische Kino verschrieben hat, lässt auch dieser Film den Zuschauer in Schockstarre zurück. „Plac Zabaw“ ist mithilfe einer schier unerträglichen Klimax inszeniert, deren Anfang bereits ein grausames Ende erahnen lässt.

Die Auswahl von FilmPolska, das noch bis zum 2. Mai dauert und dieses Jahr in die 13. Runde geht, ist vielfältig

Die 13. Ausgabe des Festivals „FilmPolska“ läuft vom 25. April bis 2. Mai unter anderem im Wolf Kino, Kino Krokodil, Bundesplatz-Kino, Babylon-Mitte, Kino Arsenal, Zeughauskino & dem fsk am Oranienplatz. Programm unter: www.filmpolska.de

Das Thema: Gewalt unter Kindern im zeitgenössischen Polen. Die beiden Jungs Szymek und Czarek kontrastieren ihren Leichtsinn mit einer Gehässigkeit und Gnadenlosigkeit, dass man nicht anders kann, als das Monströse in ihren Kinderaugen zu sehen. Eine beeindruckende schauspielerische Leistung.

Darüber hinaus gibt es Reihen etwa zu Stummfilmen wie „Ludzie bez jutra“, zu Deutsch „Die Menschen ohne Morgen“ aus dem Jahr 1921, schlesisches Kino oder Beiträge anlässlich des Jubiläums zu 100 Jahren polnischer Unabhängigkeit.

Label „antipolnisch“

Dass FilmPolska ein so aufregendes, kritisches Programm bietet, ist nicht selbstverständlich. Immerhin ist das Polnische Institut Berlin die Organisatorin des Festivals, die direkt dem Außenministerium in Warschau untersteht. Seit der Machtübernahme der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) vor mehr als zweieinhalb Jahren, werden immer wieder Forderungen auch von Regierungsangehörigen nach einem deutlicher „patriotischen Kino“ laut. International gefeierte Filme, wie „Ida“, der 2015 den Oscar gewann, erhalten das Label „antipolnisch“.

Zudem wurde zum 1. März dieses Jahres nach Katarzyna Wielga-Skolimowska nun auch deren Nachfolgerin Hanna Radziejowska als Leiterin des Instituts entlassen. Diese hatte den Posten erst im September 2017 angetreten, nachdem Wielga-Skolimowska bei der Politik in Ungnade gefallen war.

Der polnische Botschafter in Berlin beklagte sich in einem Gutachten damals über deren Arbeit. Kommissarisch hat nun Małgorzata Bochwic-Ivanowska das Institut übernommen. Sie gilt als ideologisch der Partei nah. Und dass sie ein Buch des rechten Verschwörungstheoretikers Jürgen Elsässer ins Polnische übersetzt hat, spricht auch nicht gerade für ihren guten Geschmack.

All das jedoch spiegelt sich nicht im Festivalprogramm. Einzig die Vorführung des Films „Wołyń“, der sich mit den Massakern an Polen durch die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) während des Zweiten Weltkriegs beschäftigt, könnte zu einer Kontroverse führen. Zwar erhielt er in Polen Auszeichnungen, von linken polnischen Publizisten aber wurde er dafür kritisiert, Ressentiments zu schüren, die Vorführung in der Ukraine wurde untersagt. Für FilmPolska finden vor den Vorführungen erläuternde Einführungen statt.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.