Kommentar Urteil zu Werbeblockern: Er oder ich

Ein Grundsatzurteil sagt: Medienhäuser müssen sich mit Werbeblockern im Internet abfinden. Die Pressefreiheit ist aber trotzdem nicht in Gefahr.

Adblock Plus auf einem Bildschirm

Gefahr für die Pressefreiheit? Vom AdBlock-Plus fühlte der Springer-Verlag sich bedroht Foto: dpa

Die deutschen Medienhäuser haben eine wichtige juristische Schlacht verloren. Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag das Anbieten von Werbeblockern für Internet-Inhalte für zulässig erklärt. Damit ist der Springer-Verlag mit seiner Klage gegen das Kölner Produkt „AdBlock-Plus“ gescheitert.

Die Verleger sehen jetzt die Pressefreiheit in Gefahr. Denn aufwendige journalistische Webangebote wie bild.de oder spiegel.de ließen sich nicht mehr refinanzieren, wenn die dortige Online-Werbung blockiert werden darf. Doch die Kritik der Verleger ist polemisch. Ein Ad-Blocker ist kein destruktiver Wegelager, der dafür Geld verlangt, dass er den Weg freigibt. Es gibt vielmehr ein Bedürfnis nach Werbeblockern: Die Leute installieren sie freiwillig, weil sie aggressive Werbung vermeiden wollen – Werbung, die beim Lesen stört oder ungefragt losplärrt, während man gerade in der Bibliothek sitzt.

Deshalb hat auch ein Werbeblocker wie AdBlock-Plus, der mit einer Whitelist „akzeptabler“ Werbung arbeitet, seine Berechtigung. Seine Leistung besteht in der Prüfung und Aussonderung besonders störender Werbung. Gerade die Medienhäuser sollten sich über Modelle freuen, die nicht jede Werbung blocken. Und die Kunden, die solche differenzierten Werbefilter nutzen, sind erst recht nicht destruktiv. Denn sie haben verstanden, dass viele der kostenlosen Internet-Inhalte, die sie konsumieren, auf Werbeeinnahmen angewiesen sind.

Verlage sind nicht hilflos ausgeliefert

Wenn die Verlage für diesen Service nicht bezahlen wollen, sind sie den Werbeblockern aber auch nicht hilflos ausgeliefert. Sie können ihre Nutzer vor die Alternative stellen: „Er oder ich“. Entweder der Werbeblocker wird auf dieser Seite abgestellt oder der Nutzer kann nicht mehr auf die Seite zugreifen.

Alternativ kann ein Werbangebot auch seine Nutzer bitten, den Ad-Blocker für diese Seite freiwillig auszuschalten. Wenn das werbebasierte Finanzkonzept gut erklärt wird, kann auch das durchaus erfolgversprechend sein. Im BGH-Verfahren kam zur Sprache, dass immerhin vierzig bis sechzig Prozent der Nutzer solchen Bitten folgen.

Werbeblocker sind so gesehen also keine existenzielle Gefahr für Medienseiten. Zwar hat der Axel-Springer-Verlag jetzt eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. Bis Karlsruhe in einigen Jahren darüber entscheidet, wird der Markt aber vermutlich schon wieder ganz anders aussehen.

Eher müsste man sich um ein Angebot wie Adblock Plus Sorgen machen. Da seit Februar sogar Googles Chrome-Browser einen moderaten Werbeblocker enthält, werden immer mehr Nutzer auf die Installation einer zusätzlichen Browserergänzung verzichten. Und wenn Google vermutlich schon bald den wichtigsten Werbeblocker betreibt, können sich auch die Verlags-Chefs wieder etwas beruhigen. Auch dort wird es vor allem gegen allzu störende Werbung gehen. Schließlich verdient Google sein Geld vor allem mit Werbung und nicht mit deren Verhinderung.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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