Böse Grenzüberschreitung

Die Band Acht Eimer Hühnerherzen ist laut eigener Angaben eine mobile Eingreiftruppe, die Großkunst macht. Jetzt veröffentlicht das Kreuzberger Trio sein Debütalbum und gastiert beim „Ball of Inclusion“ im SO36

Erzeugen „Biopunk“ mit akustischen Instrumenten: Acht Eimer Hühnerherzen Foto: Veruschka Bohn

Von Thomas Winkler

Frau Vega heißt natürlich nicht so. Apokalypse Vega heißt kein Mensch. Alan Vega hieß ja auch nicht so, sondern Boruch Bermowitz. Obwohl: Suzanne Vega heißt wirklich so, Suzanne Nadine Vega. Aber Apokalypse Vega, Sängerin und Gitarristin von Acht Eimer Hühnerherzen, heißt in Wirklichkeit ganz anders. Nur wie? Das soll man nicht wissen, weil Frau Vega im echten Leben nicht in einer Kreuzberger Punkband spielt, sondern Künstlerin ist. Und was genau für Kunst macht sie? Eher Performatives, sagt sie, Kurzfilme, gemalt hat sie auch schon, und Philosophie studiert. Genaueres ist nicht zu erfahren.

Im Vergleich dazu sind ihre Mitstreiter bei Acht Eimer Hühnerherzen offene Bücher. Die beiden tragen zwar, wie es sich für eine Punkband gehört, ebenfalls Pseudonyme, aber können ihre Vergangenheit nicht verbergen. Bassist Sen Bottrop spielt schon seit Langem als Johnny Bottrop Gitarre für die Terrorgruppe und The Bottrops. Und Bene Diktator war und ist teilweise noch Schlagzeuger bei Diving for Sunken Treasure, Incredible Herrengedeck und Huck Blues. Außerdem tritt er unter seinem Geburtsnamen auf als Benedikt Gramm. Die beiden sind Kreuzberger Institutionen.

Zusammen sind Apokalypse Vega (35), Sen Bottrop (52) und Bene Diktator (36) etwas, was es lange schon nicht mehr gab: eine Punkband, die witzig ist. Wohlgemerkt keine Fun-Punkband, denn Funpunk ist seit ungefähr 200 Jahren nicht mehr witzig. Acht Eimer Hühnerherzen sind auch keine lustige Punkband, sonst wären sie ja sowas wie Die Ärzte. Sie sind auch keine spaßige Band, denn so was brauchen nur Menschen, die „Schpass“ sagen und ihrem Urlaub im Bierkönig verbringen.

Acht Eimer Hühnerherzen sind witzig. Man kann über ihre Lieder schmunzeln, wenn das nicht so ein bescheuertes Wort wäre, und lachen, ohne dass es einem peinlich sein müsste. Manchmal ohne zu verstehen, warum das jetzt witzig ist. Mitunter sind die Songs, die Apokalypse Vega für das eben erschienene Debütalbum komponiert hat, auch gar nicht witzig, sondern eher absurd. Wenn sie in „Eis auf Ex“ einfach nur Eissorten aufzählt, tatsächliche und unmögliche. Wenn sie das „Mittelmaß“ lobt, wenn sie „olle Schlüpper“ oder „Möpse aus ­Beton“ besingt. Dann ist das – vor allem im Fall von „Eisen­hüttenstadt“ – vielleicht Ironie, aber oft auch sehr anrührend.

Es ist also kompliziert. Und schwer zu fassen. Wie schwer, das merkt man spätestens, wenn man mit der Band beim Italiener ihres Vertrauens zu ergründen versucht, was genau eigentlich witzig ist an ihrer Musik. Es fällt auf, vor allem nachdem Bassist Bottrop zu viel scharfes Öl auf seine Pizza gekippt hat: Die drei lachen gern. Am liebsten über sich selbst. Ihre Musik aber, die sei, schlägt Vega vor: „Dada“. Bottrop ergänzt: „Dada mit Fun“. Genauer geht’s nicht? „Affinität zur Sprache“, diagnostiziert Vega in einer spontanen Selbstdiagnose. „Böse Grenzüberschreitung“, befindet Bottrop. Schlüssig formuliert es Herr Diktator, der Schlagzeuger, ein eher wortkarger unter den Potentaten: „Aber jeder versteht das auch anders.“

Das ist alles richtig. Aber befriedigende Erklärungen klingen anders. Weswegen Acht Eimer Hühnerherzen, deren Erklärung für ihren Namen übrigens ähnlich unbefriedigend ausfällt, lieber ausführlich über die Vorzüge ihrer Band reden. Die ist nämlich eine Art Bio-Punkband, denn wenn’s drauf ankommt, brauchen die drei keinen Strom: Die Besetzung besteht aus Akustikgitarre, Akustikbass und rudimentärem Schlagzeug. Angefangen haben Vega und Bottrop mit Herumklimpern im Park im Sommer 2016. Dann kam Bene Diktator dazu, der früher Erfahrung mit Straßenmusik gesammelt hat.

Man kann über sie lachen, ohne dass es einem peinlich sein müsste

Der erste Auftritt fand statt im Hippie-Paradies Klunkerkranich, ihr Album haben sie an zwei Tagen eingespielt. Ihre Musik nennen sie selbst „Nylon-Punk“, weil die Saiten der akustischen Instrumente aus Nylon sind. Notfalls, behaupten die drei, könnten sie auch mit der BVG zum eigenen Konzert fahren. „Wir sind eine Economy-Band, eine mobile Eingreiftruppe“, sagt Bottrop, „das ist fast schon Kleinkunst, aber wir spielen Rockmusik“. Vega ist nicht einverstanden: „Wir machen Großkunst.“

Richtiger Punkrock, eins-zwei-drei, laut und fies, dreckig und geradeaus auf die Zwölf, das sind Acht Eimer Hühnerherzen nicht. Obwohl, dreckig sind sie schon. Man muss an die Violent Femmes denken. Auch Acht Eimer Hühnerherzen pflegen die hohe Kunst des gut dosierten Dilettantismus. Vega reklamiert, dass sie vor Auftritten immer noch so nervös sei, dass sie auf der Bühne kaum ein Wort herausbekomme: „Ich bin schlecht, ich kann ja auch nicht gut Gitarre spielen.“

Das ist das alte Punkethos. Weniger ist hier weniger, aber prima. Und auch noch witzig, und das will wirklich was heißen.

Acht Eimer Hühnerherzen: s/t (Destiny/Broken Silence). Am 4. 5. live beim Ball of Inclusion, SO36, Eintritt frei. Record-Release-Party: 20. 5. im Monarch