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Im Auftrag des Herrn

Angesichts fehlender evangelischer TheologInnen nehmen die Bedeutung und der Aufgabenbereich der Diakone stetig zu. So vielfältig der Beruf ist, so unübersichtlich ist allerdings der Ausbildungsweg dorthin

Ausnahmeeinsatz mit Kutter: Folkert Janssen, Diakon bei der Deutschen Seemannsmission, bringt als Heiliger Nikolaus Weihnachtsbäume zu den Schiffen im Rostocker Seehafen Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Von Joachim Göres

Konfirmandenunterricht erteilen, Kinder- und Jugendgottesdienste halten, Jugendliche zu Teamern für Gruppenfahrten ausbilden, in den Ferien Freizeiten organisieren und leiten: Anja Kanzinger nennt nur einige ihrer Tätigkeiten, für die sie als Diakonin in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Munster in der Lüneburger Heide zuständig ist. Sie hat neun Semester an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg Religionspädagogik und Soziale Arbeit studiert und in beiden Fächern einen Bachelor-Abschluss gemacht. Nach dem Studium wurde sie eingesegnet – damit stellt sie ihren Dienst unter das Wort Gottes. Seitdem darf Kanzinger sich Diakonin nennen.

Mit Kindern und Jugendlichen hat sie schon früher in ihrer Kirchengemeinde gern ehrenamtlich gearbeitet, im Studium kamen noch Unterrichtspraktika in der Schule dazu. „Das Studium ist für mich erst mal wichtig für die Persönlichkeitsbildung, aber auch eine gute Vorbereitung auf den Beruf“, sagt Kanzinger. „Dennoch wird man an seiner ersten Stelle teilweise auch ins kalte Wasser geworfen, denn die Tätigkeit als Diakonin ist sehr vielfältig.“ Sie hat eine für fünf Jahre befristete Stelle und ist die einzige Diakonin für die 8.000 Mitglieder zählende Gemeinde, in der drei Pastoren tätig sind. „Wir treffen uns regelmäßig, ich fühle mich mit ihnen auf einer Ebene“, sagt die 26-Jährige.

Wechselndes Arbeitsfeld

In einer aktuellen Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche Deutschlands haben 335 DiakonInnen aus der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover Auskunft über ihren Berufsalltag gegeben. Zu den wichtigsten Themenfeldern gehört die Glaubensvermittlung, gefolgt von der Betreuung und dem Management von ehrenamtlichen Kräften in der Gemeinde, der Seelsorge, der Öffentlichkeitsarbeit sowie dem Bereich Bildung und Coaching. Flexibilität ist Voraussetzung: Laut Befragung änderte sich in den letzten fünf Jahren bei 28 Prozent einmal und bei 32 Prozent mehrfach das Arbeitsfeld.

„Ich mache meine Arbeit gerne“, sagen 92 Prozent der Befragten und loben die Eigenständigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem Beruf. 83 Prozent stimmen der Aussage „Die Arbeit ist wirkungsvoll“ zu. Allerdings spricht auch jeder Zweite von zunehmender Arbeitsverdichtung. 60 Prozent wären motivierter, wenn es mehr Geld oder andere Zusatzleistungen geben würde. Im ersten Berufsjahr verdienen Diakone rund 1.900 Euro netto.

Die Vielzahl der evangelischen Kirchen mit ihren besonderen Traditionen sorgt für Unterschiede beim Berufszugang. Mehr als 50 Ausbildungsstätten gibt es bundesweit, fast immer in kirchlicher Trägerschaft. Bei den evangelischen Landeskirchen ist mittlerweile ein Studium Standard. Daneben gibt es auch Ausbildungen an Fachschulen sowie berufsbegleitende Fortbildungen für Heilerziehungspfleger oder Erzieher.

In den meisten Kirchen lautet die Berufsbezeichnung Diakon, in manchen Gemeindepädagoge, Katechet, Religionspädagoge, Gemeindehelfer oder Jugendreferent. Eine Rolle spielt auch der Ausbildungsort. „Ich habe in der Landeskirche Württemberg studiert, wo ich mit meinem Abschluss auch in der Schule hätte unterrichten können“, sagt Kanzinger. „In der Landeskirche Hannover wird mein Abschluss anerkannt, in der Schule darf ich in Niedersachsen aber nicht unterrichten. Ich komme ursprünglich aus der Landeskirche Baden – hätte ich dort studiert, hätte es Probleme mit der Anerkennung in Hannover gegeben. Das ist doch gaga.“

Wie Kanzinger hat auch Moritz Thöle-Weimar ein Doppelstudium in Religionspädagogik und Sozialer Arbeit mit einem Bachelor in beiden Fächern nach acht Semestern abgeschlossen, an der Hochschule Hannover. Sie ist die einzige staatliche Hochschule mit diesem Angebot. Zuletzt gab es mehr als 130 BewerberInnen für 40 Studienplätze. Der Vorteil des doppelten Bachelors liegt darin, dass man sowohl als Diakon im kirchlichen Umfeld als auch als Sozialarbeiter bei Kommunen arbeiten kann.

Thöle-Weimar absolviert derzeit sein zwölfmonatiges Berufspraktikum, das sich an das Studium anschließt. „Fast alle, die ich kenne, wollen in den öffentlichen Dienst. Dort gibt es einfach mehr volle und unbefristete Stellen und man bekommt auch leichter etwas in der Großstadt. Freie Stellen für Diakone finden sich eher in ländlichen Regionen“, sagt der 25-Jährige.

Im Hauptberuf Kirche

Sascha Weinkauf gehört zur großen Mehrheit der Diakone, die ihre eigenen positiven Erfahrungen in der kirchlichen Jugendarbeit dazu motiviert hat, später hauptberuflich in der Kirche tätig zu sein. Mehrere Jahre war der Diakon im Westerwald als Jugendreferent in der mobilen Jugendarbeit für mehrere Gemeinden zuständig. Seit Kurzem studiert er in Göttingen Theologie. „Ich habe während der Jahre immer mehr gemerkt, dass mein Herz vor allem für die Liturgie, die Predigt, den Gottesdienst schlägt. Deswegen will ich Pastor werden. Etwas von meinem bisherigen Studium wird dafür anerkannt, ich spare so vielleicht zwei Semester“, sagt er.

Lange Zeit gab es in vielen Kirchengemeinden starke Hierarchien, mit dem Pastor an der Spitze. Der Diakon – wörtlich: Helfer, Diener – wurde häufig auf eine unterstützende Rolle reduziert. „Das ist heute nicht mehr so. Das ist ein Beruf mit großer Eigenständigkeit“, sagt Heidi Albrecht, Geschäftsführerin des Verbandes Evangelischer Diakonen-, Diakoninnen- und Diakonatsgemeinschaften in Deutschland. Diesem Verein gehören 8.500 der insgesamt etwa 11.000 Diakone und Diakoninnen an.

Angesichts fehlender Theologen steigt deren Bedeutung – in den evangelischen Landeskirchen von Bayern und Mitteldeutschland dürfen sie mittlerweile Menschen taufen, trauen und beerdigen sowie einen Gottesdienst mit Abendmahl leiten. „Sie sind oft einfach näher an den Problemen der Menschen dran und werden von ihnen geschätzt“, sagt Albrecht, die von sehr guten Berufsaussichten spricht – nicht zuletzt, weil bald viele Diakone in den Ruhestand gehen.

Mehr Informationen im Netz:

www.diakon-werden.de, www.vedd.de