Jugendhilfe in Hamburg: Wegschließen ist out

Hamburg hat in drei Jahren nur eine Jugendliche im geschlossenem Heim untergebracht. Doch in Langenhorn ist eine Clearing-Stelle geplant, die mit Wachdienst arbeitet.

Zwei Hände, die einen Basketball halten. Im Hintergrund eine Mauer mit Überwachungskamera.

Geschlossene Einrichtung: So sieht es die intensivtherapeutische Wohngruppe des Caritas-Sozialwerks St. Elisabeth in Lohne im Landkreis Vechta aus Foto: dpa

HAMBURG taz | Vier Jahre nach Schließung der Haasenburg-Heime ist das Wegschließen in Hamburg nicht mehr in Mode. Das könnte sich allerdings unter der Hand ändern, weil der Senat eine Einrichtung für schwierige Flüchtlinge für die allgemeine Jugendhilfe öffnen möchte.

Hatte der Senat von 2008 bis 2013 insgesamt 52 Kinder in Brandenburg untergebracht, so gibt es seit 2015 nur einen Fall einer geschlossenen Unterbringung. Das geht aus einer Protokollnotiz des Landesjugendhilfeausschusses hervor, die der taz vorliegt.

Demnach wurde ein Mädchen in ein geschlossenes Heim in Bayern gebracht. Nach Ablauf des dafür nötigen Gerichtsbeschlusses sei sie dort freiwillig geblieben und in eine offene Gruppe verlegt worden. Es gab für zwei weitere Jungen einen Beschluss für ein geschlossenes Heim, doch die kamen stattdessen in ein offenes Heim.

„Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass geschlossene Einrichtungen in anderen Bundesländern eher keine Hamburger Minderjährigen aufnehmen“, heißt es in dem Papier. Und Familienrichter seien nicht bereit, einen Beschluss zu erlassen, wenn nicht feststeht, wohin das Kind soll. Deshalb stelle das Familieninterventionsteam (FIT) auch kaum Anträge.

Die geplante Kooperation mit Bremen für ein gemeinsames Heim ist gescheitert, weil der dortige rot-grüne Senat das nicht mehr wollte. Die Sache hat überschaubare Kosten von 40.000 Euro verursacht. Hamburg plant immer noch sein geschlossenes Heim. Doch die Überlegungen seien „nicht abgeschlossen“, heißt es.

Protokoll-Jugendhilfeausschuss

„Die Erfahrungen zeigen, dass geschlossene Heime in anderen Ländern eher keine Hamburger nehmen“

Die Haasenburg-Heime wurden 2013 von der brandenburgischen Jugendministerin dicht gemacht, nachdem eine Untersuchungskommission schwere Mängel auflistete. Der SPD-Senat agierte damals zweigleisig. Einerseits begannen die Planungen für das eigene Heim, andererseits finanziert die Stadt seither die – von vielen als Alternative bezeichnete – „Koordinierungsstelle individuelle Unterbringung“.

Diese beim Paritätischen Wohlfahrtsverband angesiedelte Stelle arbeitet effektiv. 58 Fälle wurden dort seit 2014 in einem Träger-Fallverbund beraten. Ihre Aufgabe besteht darin, „komplexe, sehr herausfordernde Jugendliche mit einem guten, tragfähigen, langfristig wirksamen Hilfesetting zu versorgen“, steht im Protokoll. „Diese Stelle arbeitet gut. Man sieht, dass Hamburg keine geschlossenen Heime braucht“, findet Mehmet Yildiz von der Linksfraktion.

Allerdings scheint Hamburg im Windschatten des hohen Flüchtlingszuzugs von 2015 doch auch restriktivere Formen stationärer Jugendhilfe zu etablieren. In der Zeit, da Hamburg viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen hatte, schuf der Landesbetrieb Erziehung (LEB) die Clearingstelle „Zweite Chance“ an der Hammer Straße mit zwölf Plätzen.

Diese richtet sich an junge Flüchtlinge, die in anderen Einrichtungen aufgrund ihres Verhaltens „keinen Platz fanden oder dort nicht Fuß fassen konnten“, schreibt der LEB. Das Besondere: Die Einrichtung hat einen Sicherheitsdienst, der Teil des Teams ist. Er soll die Pädagogen auch beim „Durchsetzen der Hausordnung“ unterstützen.

Zielgruppe: Männliche Jugendliche von 14 bis 17

Die Zweite Chance soll zum 30. Juni am Standort Hammer Straße „aufgegeben werden“, weil sich dieser nicht eigne, und an den Jugendparkweg 58 in Langenhorn verlagert werden. Das steht in einem Antrag, der im Bezirk Nord vorgestellt wurde.

Und jetzt – wo nicht mehr so viele junge Geflüchete da sind – soll die Einrichtung allgemeiner Teil der Jugendhilfe werden. Zielgruppe seien männliche Jugendliche von 14 bis 17 und junge Volljährige bis 21 Jahre, teilt die Sozialbehörde mit. Sie sei nicht auf minderjährige Ausländer beschränkt.

Mehmet Yildiz findet das Konzept problematisch. „Eine Clearingstelle ist dazu da, die Bedarfe eines jungen Menschen zu ermitteln“, sagt er. Hier aber gehe es schon im Konzept um deren Defizite. Auch habe ein Sicherheitsdienst konzeptionell in der Jugendhilfe nichts zu suchen. „Da wird verwaltet, das hat mit zweiter Chance nichts zu tun“, kritisiert er. Der Abgeordnete will jetzt beim Senat erfragen, nach welchen Regeln der Wachdienst arbeitet und ob es ihn auch in anderen Jugendheimen gibt.

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