Protokolle zu Sensibler Sprache: „Das ist nur deine Projektion“

Kaey und ​Brighton Power sind trans*. Hier erzählen sie, welche Sätze sie verletzen und wie man mit Unsicherheit umgeht.

Nahaufnahme von Kaey

„Männlich und weiblich sind nur Kategorien, die sich der Mensch ausgedacht hat“: Kaey aus Berlin Foto: Cristian Merean

Kaey, 38 Jahre, wohnt in Berlin. Sie findet es ignorant und übergriffig, wenn jemand sie als Mann bezeichnet

Was ich grundsätzlich am verletzendsten finde, ist die Formulierung „wurde als Mann geboren“ oder „im Körper eines Mannes geboren“. Ich bin in meinem Körper geboren. Und wenn ich eine Frau bin, dann ist das offensichtlich der Penis einer Frau. Punkt. Männlich und weiblich sind ja nur Kategorien, die sich der Mensch ausgedacht hat. Eigentlich wäre es doch das Leichteste, einfach etwas anderes zu erfinden.

Außerdem triggert es mich total, wenn mich jemand als so männlich liest, dass er all das, was an mir nicht männlich ist, ignoriert. Ich habe eine tiefe Stimme und bin keine trans* Person, die ein hundertprozentiges Passing hat, die also von Leuten immer sofort als Frau gelesen wird, und trotzdem bin ich der Meinung, dass in meinem Erscheinungsbild relativ klar ist, dass ich mich zumindest weiblich fühle. Wenn dann jemand „er“ sagt oder mich als „Mann“ betitelt, sitze ich manchmal da und denke: Bist du eigentlich blind? Das ist wirklich hochgradig ignorant und übergriffig.

Wenn man unsicher ist, sollte man einfach fragen. Zum Beispiel: „Ich will dir nicht zu nahe treten, aber wie soll ich dich ansprechen?“ Eigentlich wäre es sowieso viel besser, wenn wir das bei jedem machen würden. Ich glaube, viele Leute befürchten, dass sie dadurch ihr Gegenüber infrage stellen. Dabei ist es viel verletzender, einfach etwas anzunehmen. Das ist ja nur deine Projektion. Du nimmst den kleinsten männlichen Anteil von mir und legst den über alles drüber. Das ist eine Beleidigung.

Meinen Namen habe ich nicht ändern lassen. Seit 15 Jahren steht Kaey als Künstlername in meinem Ausweis, und alle Leute in meinem engen Umfeld nennen mich so. Meiner Mutter rutscht auch ab und zu mein Geburtsname raus, aber der ist eh ziemlich neutral, es ist also nicht so, als würde sie mich die ganze Zeit Thomas oder Horst nennen. Ich finde es auch schwierig, von seinen Eltern zu verlangen, das im Kopf immer so umzuklicken. Aber wenn sie mit jemandem telefoniert und von mir als ihrem Sohn spricht, dann sage ich schon: Ich erwarte nicht, dass du sagst, ich bin deine Tochter, aber sag doch einfach: „Mein Kind ist zu Besuch.“

„Das Sternchen ist mir wichtig“

Ich bezeichne mich als trans* Frau. Das Sternchen ist mir wichtig, um klar zu machen, dass ich nicht unbedingt in deine Definition von Geschlechtlichkeit passe. Aber das handhabt jeder anders. Ich bin Redakteurin bei der Siegessäule in Berlin, dem größten queeren Magazin Europas. Dort schreiben wir etwa „trans Frau“ ohne Sternchen, weil das ja schon eine geschlechtliche Richtung vorgibt, aber „trans* Person“ mit Sternchen, weil das offener ist.

Außerdem sage ich nicht transsexuell, sondern transidentisch, weil das für mich etwas mit Identität zu tun hat, nicht mit Sexualität. Meistens benutze ich allerdings einfach den Begriff trans*. Dass man unbedingt eine festgefahrene Definition braucht, finde ich problematisch. Ich bin ja auch eine Dragqueen zum Beispiel, das ist für viele Leute oftmals ein Widerspruch.

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Aber ich bin auch eine Frau, ich bin auch ein Ossi – in mich passen eben viele Identitäten. Am Ende geht es immer nur um Schubladen, in die wir uns reinquetschen müssen. Klar, das brauchen wir alle, um Dinge zu verstehen und sie einzuordnen, aber ich finde es wichtig, dass man offen ist, eine Schublade auch mal zu wechseln. Begriffe, die ich vor 20 Jahren für mich benutzt habe, benutze ich etwa heute nicht mehr.

Ich habe Drag gemacht, bevor ich mich als trans* verstanden habe, und bin in dieser Szene sozialisiert worden. Als ich mit 17 mein Coming-out hatte und mich in einen Jungen verliebt habe, habe ich mich selbst erst mal als femininen Mann definiert. Irgendwann ist mir klar geworden: Oh, die Frau, die ich auf der Bühne bin, das bin ja ich! Manche Leute kritisieren, wenn eine trans* Frau Drag macht. Aber die Frage ist doch: Geht es bei Drag nur darum, auf der Bühne das Geschlecht zu wechseln, oder darum, Geschlechterrollen zu persiflieren? Denn Letzteres kann ich schließlich auch machen, wenn ich mich dieser Geschlechterrolle zugehörig fühle.

In der Performance-Szene herrscht eine eigene Sprache. Ich nenne meine Kolleg*innen auch mal „blöde Kack-Transe“, aber das geht nur untereinander. Wenn ich über die Straße gehe und jemand schreit mir „Transe“ hinterher und meint das als Beleidigung, dann ist es auch eine Beleidigung. Ich kann mir das Wort aber auch aneignen, wenn ich akzeptiere, dass ich trans* bin und somit eine Transe. Dann drehe ich mich um und sage: „Ja, was? Ich bin eine Transe. Und nun? Was willst du als nächstes?“ Das ist nichts, wofür ich mich schämen muss. Deshalb ist mein Umgang damit, zu sagen: Nimm dir doch lieber dieses Wort, benutze es für dich und trage es stolz.

Protokoll: Franziska Seyboldt

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Brighton Power, 24 Jahre, wohnt in Ehingen, Schwäbische Alb. Ihm ist es wichtig, dass sich die Leute bemühen

Gehst du aufs Damen- oder aufs Herrenklo?“, war für mich lange Zeit eine der schlimmsten Fragen. Schlimm deshalb, weil mir diese Entscheidung, bevor meine Brüste entfernt wurden, selbst auch schwergefallen ist. Jedes Mal. Nehme ich die Tür oder die? Ich bin ein Mann, aber meine Brüste waren eindeutig zu erkennen. Egal welche Toilette, ich wurde komisch angeschaut. Jedes Mal hatte ich Angst, dass ich rausgeworfen werde. Es hat lange gedauert, bis ich mich getraut habe, aufs Männerklo zu gehen. Das dann von anderen unter die Nase gerieben zu bekommen, war schrecklich.

Brighton Power

Brighton Power aus Ehingen, Schwäbische Alb Foto: privat

„Stehst du jetzt auf Frauen oder auf Männer?“, ist noch so eine Frage, total unangebracht. Ich frage ja auch nicht jeden Menschen, auf wen er oder sie steht. Die sexuelle Orientierung hat nichts mit Transsexualität zu tun. Das Verletzendste aber, was je jemand zu mir gesagt hat, kam letztes Jahr von einem Mitschüler aus der Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher: „Du bist ja noch kein richtiger Mann.“ Ich weiß schon gar nicht mehr, in welcher Situation er das gesagt hat, aber an den Satz kann ich mich sehr gut erinnern.

Mit meinen Freunden habe ich aber großes Glück, sie haben toll reagiert, als ich das erste Mal mit ihnen darüber gesprochen habe. Ich bin nicht wirklich in der Trans-Community drin. Ich kenne zwei andere trans Männer, mit denen ich regelmäßig Kontakt habe. Dass ich die zwei kenne, ist gut. Aber mehr braucht es für mich nicht. Ich lebe einfach mein Leben.

Ich habe auch gar keine Zeit, jeden Tag fünf Stunden zu chatten und mich mit anderen trans Frauen oder trans Männern zu vernetzen. Solche Treffen gibt es in Großstädten, aber bei uns im Dorf nicht. Sprachlich bin ich da auch nicht so drin, das ist mir nicht so wichtig. Ich weiß zum Beispiel gar nicht, was dieses „Trans-Sternchen“ bedeutet. Ich will am liebsten als Mann bezeichnet werden, ich bin ein Mann. Ansonsten ist trans Mann für mich auch okay. Das Mindeste ist, dass jeder über mich mit dem männlichen Pronomen spricht. Ich möchte einfach immer als „er“ bezeichnet werden.

„Ich bin nicht der weibliche Name, ich bin der Mann“

Dass manchmal Fehler passieren, ist auch klar, das kann ich verstehen. Wenn du 18 Jahre lang deinen besten Freund mit einem bestimmten weiblichen Namen angesprochen hast, dann ist das schwer abzustellen. Aber den Namen, den ich bei der Geburt bekommen habe, will ich einfach nicht hören. Ich bin ja nicht der weibliche Name, ich bin der Mann. Ich habe so dafür gearbeitet, dass es so ist.

Ich bin in einem Heim aufgewachsen und habe es da lange niemandem erzählt. Das erste Mal habe ich etwas gesagt, als ich 18 Jahre alt war. Da wurde ich aber nicht ernst genommen. Die Betreuer im Heim dachten, das ist eine Phase. Mit 21 war ich dann an dem Punkt, dass ich so nicht mehr weiterleben wollte. Ich bin mit einem Kasten Bier zu meinem besten Freund und habe ihm alles erzählt. Wir haben dann einen Psychologen gesucht, der sich damit auskennt.

Der Psychologe hat mich direkt mit „Herr Power“ angesprochen, das hat so gutgetan! Seit zweieinhalb Jahren habe ich jetzt meinen neuen Vornamen, mein Umfeld hat das anerkannt. Ich stehe also da und habe das alles geschafft … und wenn dann jemand den alten Namen sagt, das macht alles kaputt. Mir ist es deshalb wichtig, dass sich jeder bemüht und das ernst nimmt. Wenn das der Fall ist und trotzdem mal was Falsches rausrutscht, dann kann ich aber auch mit ihm gemeinsam darüber lachen.

Nervig war immer, dass viele Leute, die ich kennengelernt habe, irgendwie unsicher waren und sich nicht getraut haben, mich darauf anzusprechen. Das habe ich aber immer ganz genau bemerkt. Dann habe ich das selbst angesprochen und kurz zehn Minuten oder so alles erklärt. Es ging mir darum, Unklarheiten zu beseitigen und dann einfach ein normales Gespräch zu führen.

„Keine intimen Gespräche nach zwei Minuten“

Auf der anderen Seite: Ganz direkte Fragen von Menschen, die ich gerade mal zwei Minuten kenne, sind auch nicht okay. Mit Leuten, die mir nahestehen, rede ich sehr gern zum Beispiel über die Geschlechtsangleichung. Wenn es aber der Kumpel einer Freundin ist, den ich eben auf einer Grillparty kennengelernt habe, dann will ich nicht über so intime Sachen sprechen.

Die bürokratische Prozedur in Deutschland ist schlimm. Die Personenstandsänderung ist wirklich ein riesiger Akt, auch mit den ganzen psychologischen Gutachten, die man dafür braucht. Ich fand mich in der Situation wieder, dass ich mit Testosteron angefangen hatte, aber noch der weibliche Name im Pass stand. Da habe ich mich gefühlt wie ein Zwischenmensch. Ich wusste gar nicht mehr, wie ich mich vorstellen sollte. Da fehlen dir selbst die Worte.

Protokoll: Lisa Becke

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