USA und Nordkoreas Atomprogramm: Annäherung statt Eskalation

Nach dem Ausstieg aus dem Atomdeal mit Iran trifft sich US-Außenminister Pompeo mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Mit erstem Erfolg.

Zwei Männer geben sich die Hand und lachen

Offizieller Handschlag: Das von Nordkoreas Nachrichtenagentur veröffentlichte Foto zwischen Mike Pompeo und Kim Jong Un Foto: KCNA/dpa

SEOUL taz | Von seinem unangekündigten Besuch in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang kehrt Mike Pompeo mit guten Nachrichten zurück: Im Flugzeug zurück nach Washington wurde der US-Außenminister von den drei in Nordkorea gefangen gehaltenen US-Bürgern begleitet. Kim Hak Song, Tony Kim und Kim Dong Chul wurden wegen angeblicher Spionage und feindseligen Handlungen gegen das Regime festgenommen. Am Donnerstag 3 Uhr morgens kamen sie in scheinbar gutem Gesundheitszustand am Andrews Luftwaffenstützpunkt bei Washington an. Bei der Begrüßung sagte Trump über Nordkroeas Staatschef Kim Jong Un: „Ich glaube, er möchte wirklich etwas unternehmen, um sein Land in die echte Welt zu bringen. Das glaube ich wirklich.“ Im nächsten Augenblick prahlte er, dass wohl noch nie in der amerikanischen Fernsehgeschichte zu solcher Uhrzeit vergleichbare Zuschauerquoten erzielt worden seien.

In der Vergangenheit hatte Pjöngjang US-Gefängnisinsassen regelmäßig bei Verhandlungen als politische Geiseln missbraucht. Die Freilassung wird daher allgemein als Demonstration eines guten Willens im Vorfeld des Gipfeltreffens zwischen Trump und Kim Jong Un gedeutet, das Ende Mai oder Anfang Juni aller Voraussicht nach in Singapur stattfinden soll.

Auf der heutigen Titelseite der meistgelesenen nordkoreanischen Zeitung Rodong Sinmun prangt ein Foto von Pompeo und Kim beim gemeinsamen Handschlag. Über den englischsprachigen Dienst der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA ließ Kim Jong Un zudem ausrichten, dass der kommende US-Nordkorea-Gipfel „historisch“ werde und ein „exzellenter erster Schritt“ für eine positive Zukunft auf der koreanischen Halbinsel. Damit hat Nordkoreas Staatschef das geplante Treffen mit Trump zum ersten Mal öffentlich anerkannt.

Der US-nordkoreanische Annäherungskurs geht also in die nächste Runde. In Hinblick auf Trumps Ausstieg aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran ist dies durchaus erstaunlich. Schließlich hat der US-Präsident damit zugleich ein verheerendes Signal an das nordkoreanische Regime ausgesandt. Allein unter den führenden amerikanischen Nordkorea-Experten war der Aufschrei groß: „Wieso sollte Kim auch nur dem kleinsten Zugeständnis von Trump trauen, wenn dieser willkürlich eine Vereinbarung zerreißt, die vom anderen Verhandlungspartner eingehalten wurde?“, twitterte etwa Antony Blinken, der als Vize-Außenminister unter Barack Obama diente. Ähnlich entrüstet reagierte der renommierte Politikwissenschaftler Vipin Narang vom MIT: „Heute wurde die Welt in aller Deutlichkeit daran erinnert, dass politische Abkommen Auslaufdaten haben und umkehrbar sind, während Atomwaffen eine lebenslange Absicherung bieten.“

Ein diplomatischer Schlag ins Gesicht ist das Iran-Fiasko vor allem für Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in, der in den vergangenen Monaten alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um den brüchigen Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel in Gang zu halten. Und doch tut Moon nun gut daran, seinen Frust über Trumps geopolitische Eskapaden vorerst in Stillschweigen zu hüllen. Man könnte die Zurückhaltung des Südkoreaners als Feigheit deuten, dabei ist Moon Jae-in brillant im Umgang mit Trumps Narzissmus. Das hat der 65-Jährige bereits eindrücklich in der Vergangen bewiesen, als er dem US-Präsidenten öffentlichkeitswirksam den Verdienst für den nordkoreanischen Friedensprozess zugesprochen, ihn zuletzt gar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hat. Dem heimischen Publikum in Südkorea war vollkommen klar, dass es sich bei den Äußerungen um nichts weiter als taktisches Schulterklopfen auf Trumps riesiges Ego handelte.

Das Iran-Fiasko lässt jedoch die Aufrichtigkeit Washingtons für die kommenden Verhandlungen mit Nordkorea in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Dabei wäre ein Friedensvertrag inklusive nuklearer Abrüstung Nordkoreas auch für die USA die einzig akzeptable Lösung des Konflikts. Sollte Trump wirklich an eine militärische Option glauben, dann wäre das angesichts der unkalkulierbaren Folgen für die Region geradezu schauerhaft.

Probleme mit Namen

Aus südkoreanischer Sicht ist ebenso erschreckend, welch inkompetentes Personal da gerade über das Schicksal der koreanischen Halbinsel entscheidet. Als US-Außenminister Mike Pompeo im Flugzeug auf seinem Weg nach Pjöngjang mit Reportern sprach, bezeichnete er Nordkoreas Staatschef allen Ernstes als „Vorsitzender Un“ – offensichtlich in Unwissenheit darüber, dass im Koreanischen der Nachname („Kim“) zuerst genannt wird, gefolgt von dem zweisilbigen Vornamen („Jong Un“). Ein passender Vergleich wäre, wenn George W. Bush als „Präsident Walker“ adressiert werden würde, oder Winston Churchill als „Premierminister Spencer“.

Doch abseits all des Spotts und der Häme, der Pompeo auf sozialen Medien entgegenschlug, verweist sein diplomatischer faux-pas doch auf ein tiefersitzendes Problem: Während in Pjöngjang die Parteikader für Amerika-Angelegenheiten oft seit Jahrzehnten dieselben sind, ist Washingtons Außenminister so frisch im Amt, dass er offensichtlich noch nicht mal den Namen des nordkoreanischen Staatschefs sattelfest beherrscht.

Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton Ende April angekündigt hat, das „Libyen-Modell“ für Nordkoreas nukleare Abrüstung anzustreben. Man könnte dem US-Diplomaten eine gewisse Selbstironie unterstellen, wenn er es doch nicht bitterernst meinen würde. Eine kleine Erinnerung: Libyens damaliger Staatschef Muammar al-Gaddafi hatte Anfang der 2000er Jahre zugestimmt, auf die Entwicklung von Atomwaffen zu verzichten. Jahre später wurde sein Regime mithilfe von westlichen Luftschlägen gestürzt, Gaddafi selbst blutig vom Mob gelyncht. Das Beispiel Libyen ist eines der Hauptgründe, weshalb die Hardliner in Pjöngjang um jeden Preis an ihrem als Lebensversicherung empfundenen Atomprogramm festhalten wollen.

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