Ärger über SNCF-Umbau in Frankreich: Bahnstreiks sollen legitimiert werden

Die Regierung Macron spielt auf Zeit. Gewerkschaften erhoffen sich Rückenwind. Über eine Million Euro wurden an die Streikkasse gespendet.

Streikende vor dem Eiffelturm

Eisenbahner auf einer Demo in Paris Foto: dpa

PARIS taz | Nach acht jeweils zweitägigen Streikrunden bei der französischen Eisenbahn suchen beide Seiten nach einer besseren Strategie. Ein Ende des Konflikts um die Reorganisation der staatlichen Bahngesellschaft SNCF und die Öffnung des Schienenverkehrs für die europäische Konkurrenz ist nicht in Sicht. Bei einem Treffen mit Premierminister Edouard Philippe zu Wochenbeginn mussten die Gewerkschaften konstatieren, dass von ihm keine wesentlichen Zugeständnisse zu erwarten sind.

Die Regierung und die Direktion der SNCF setzen weiterhin auf die zermürbende Wirkung des Dauerkonflikts. Sie gehen davon aus, dass die finanziellen Einbußen für die Streikenden und der Druck der Öffentlichkeit – wegen der ständigen Ausfälle im Schienenverkehr – die Gewerkschaften zum Einlenken zwingen werden.

Sehr populär ist bei der Bevölkerung aber auch diese Politik des Auf-Zeit-Spielens nicht. Zudem ermuntert eine Kollekte für die Streikkasse die Gewerkschaften zum Durchhalten. Mehr als eine Million Euro sind auf Initiative linker Intellektueller und Filmemacher eingegangen.

In einem Punkt scheint die Rechnung der Regierung aufzugehen: Die Anzahl der Streikenden sinkt. Zuletzt hatten sich nur knapp 15 Prozent des gesamten SNCF-Personals beteiligt. Der entscheidende Faktor ist allerdings die ­Partizipation der Lokomotivführer. Und die bleibt mit mehr als 50 Prozent weiterhin sehr hoch. Um die Zahlen tobt derweil ein Kommunikationskrieg. Die Gewerkschaften sprechen von einer ungebrochenen Widerstandskraft.

Nachhaltiger Schaden für die französische Wirtschaft

Die SNCF-Direktion dagegen beschönigt in ihren Angaben zu den Fahrplänen an den Streiktagen die reale Situation. Das Image der Bahngesellschaft leidet, außerdem muss sie die Passagiere entschädigen: Inhaber von Monatspauschalen bekommen Rabatte von 50 Prozent. Über den nachhaltigen Schaden für die gesamte französische Wirtschaft und vor allem für einige speziell betroffene Sektoren wird kaum gesprochen.

Die Gewerkschaften wollen nun die Initiative ergreifen, indem sie ab nächstem Montag eine Konsultation aller Beschäftigten organisieren. Diese sollen sich für oder gegen die Reform der Regierung aussprechen. Dabei wird vermieden, direkt über die Fortsetzung abzustimmen. Die Verbände möchten aber beweisen, dass trotz einer sinkenden Streikbeteiligung eine Mehrheit der KollegInnen die Liberalisierung der Bahn ablehnt und so indirekt den Widerstand durch Streiks legitimiert. Diese Abstimmung ist rechtlich nicht verbindlich, soll aber die öffentliche Meinung beeinflussen.

Das Vorbild ist eine Befragung des Personal, die bei der Fluggesellschaft Air France der bisherige Direktionspräsident Jean-Marc Janaillac zur vermeintlichen Beendigung eines Lohnkonflikts organisiert hatte. Er hatte siegesgewiss seinen Posten darauf gewettet, dass seine Beschäftigten seiner Lohnpolitik zustimmen würden. Doch es kam anders und Janaillac hat nach einer klaren Niederlage, die als Zustimmung für die Lohnforderungen und Streiks der Gewerkschaften ausgelegt wird, seinen Rücktritt eingereicht.

Der SNCF-Direktion, die verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Konflikt sucht, bleibt die Hoffnung, dass die gewerkschaftlichen Befragung bei der Bahn im umgekehrten Sinn ebenfalls kontraproduktiv verlaufen könnte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.