Weser-Kurier plant Seiten-Einkäufe: Sport wird ausgelagert

Erst war es nur ein Gerücht, nun bestätigte der Vorstand widerwillig: Der Bremer Weser-Kurier lässt sich künftig ganze Seiten vom hannoverschen Madsack-Verlag liefern.

Das voll besetzte Weser-Stadion bei einem Fußballspiel

Wer wissen will, was der Weser-Kurier so plant, sollte ins Weser-Stadion gehen Foto: dpa

BREMEN taz | Wenn die Redakteur*innen des Weser-Kuriers wissen wollen, was der Verlag so mit ihnen vorhat, müssen sie offenbar bloß auf der Tribüne im Weser-Stadion die Ohren spitzen. Denn dort sollen beim letzten Werder-Heimspiel der abgelaufenen Bundesliga-Saison Eingeweihte darüber gesprochen haben, künftig mehr Texte preiswert einkaufen zu wollen, statt sie von den festen Redakteur*innen schreiben zu lassen. Die Madsack-Gruppe aus Hannover, einer der größten Verlage für regionale Tageszeitungen, solle das übernehmen, so ging das Gerücht.

Die Sorge der Belegschaft ist seither, dass auch der Weser-Kurier zum Deckmantel für die Inhalte von Madsacks Redaktionsnetzwerk Deutschland (siehe Kasten) werden und die redaktionelle Eigenverantwortung mehr und mehr verlieren könnte.

Der Verlag wollte sich offiziell zunächst nicht dazu äußern, nur der Betriebsrat des Weser-Kuriers nahm die Sorge sehr ernst – und fragte auf der letzten Betriebsversammlung nach. „Erst auf intensive Nach­frage des Betriebsrats gaben Chefredaktion und Vorstand dann zu, dass sie komplette Seiten-Einkäufe planen, Hauptsport und Vermischtes“, konnte der Betriebsrat der Belegschaft anschließend mitteilen.

Noch sei zwar nichts unter­schrieben, erklärte der Vorstand, aber die Verhandlungen mit dem Madsack-Verlag, der die Seiten künftig liefern soll, seien in der Tat weit fortgeschritten. So stehe beispielsweise bereits fest, dass die Sportredaktion auch die Weltsport­ereignisse nicht mehr bearbeiten werde.

Die Madsack-Gruppe aus Hannover ist einer der größten Verlage für regionale Tageszeitungen in Deutschland.

Am 2013 gegründeten Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ist Madsack mit 75 Prozent federführend beteiligt. Der DuMont-Zeitungsverlag hält 25 Prozent. Im Mai 2017 gründeten Madsack und DuMont dann eine gemeinsame Hauptstadtredaktion in Berlin.

Das RND als Zentralredaktion beliefert rund 15 Tageszeitungen aus der Madsack-Gruppe, etwa die Hannoversche Allgemeine und die Lübecker Nachrichten sowie zahlreiche weitere wie die Kieler Nachrichten, mit journalistischen Inhalten aus den überregionalen Themen Politik und Wirtschaft.

Täglich rund vier Millionen Leser*innen erreicht das RND damit nach eigenen Angaben.

Das ist ein weiterer herber Einschnitt für die Sportredakteur*innen des Weser-Kuriers. Erst wurde die Berichterstattung über den Fußball-Bundesligisten Werder Bremen unter dem Label „Mein Werder“ an eine Agentur ausgelagert und nun wird ihnen noch die übrige Sportwelt weggenommen.

Künftig wird sich die Sportredaktion ausschließlich um das lokale Sportgeschehen kümmern. „Aber was pas­siert mit den Kollegen?“, wollte der Betriebsrat von Chefredaktion und Vorstand wissen. Gute Frage, keine Antwort.

Was das für die Mitarbeiter bedeuten könnte, zeigt ein Beispiel aus Hamburg. Anfang 2017 waren bei der zum DuMont-Verlag gehörenden Hamburger Morgenpost sieben Politik-Redakteur*innen gegen ihren Willen nach Berlin versetzt worden, weil der Politikteil der Boulevard-Zeitung seither von Berlin aus produziert wird, wie auch die Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau. Nun planen die Mediengruppen Madsack und DuMont eine Gemeinschaftsredaktion, die sieben Redakteur*innen sind dann überflüssig und ihnen droht erneut der Verlust ihres Jobs.

Wie so etwas am Ende auch ausgehen kann, haben die Abonnent*innen der Bremer Nachrichten erlebt: 1974 wurden die hoch verschuldeten Bremer Nachrichten von dem Verlag des Weser-Kuriers übernommen, Schritt für Schritt wurde die Redaktion abgebaut – heute wird unter dem Titel Bremer Nachrichten der Weser-Kurier geliefert.

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