Vor dem SPD-Parteitag: Die Führung verspielt

Am Freitag und Samstag kommt die SPD zu einem Parteitag zusammen. Die spannende Frage: Mit welchem Ergebnis wird Michael Müller zum Landeschef gewählt.

Michael Müller am Donnerstag im Abgeordnetenhaus Foto: dpa

SPD-Parteitage sind, wenn man nicht gerade zu diesem Kosmos gehört, eine Sache für sich. Menschen, die sich im Alltag aus dem Weg gehen würden, begrüßen sich mit Küsschen hier und Tätscheln dort, wechseln ein paar aufmunternde Worte, nur um dann, wenn es an die Abstimmung geht, demjenigen, den sie angelächelt haben, eine Abreibung zu verpassen. Andrea Nahles ging es so, als sie Ende April mit mageren 66 Prozent zur SPD-Bundeschefin gewählt wurde. Am Freitag und Samstag nun wartet der SPD-Landeschef und Regierende Bürgermeister Michael Müller auf seine Abreibung. Oder bleibt sie etwa doch aus?

Schlimmer hätte es für Müller, der 2016 mit 81,7 Prozent der Stimmen den Chefsessel bei den Berliner Sozialdemokraten von Jan Stöß zurückerobert hatte, in den vergangenen Wochen nicht laufen können. Als „nicht handlungsfähig“ hat der bisherige Parteivize Mark Rackles den Berliner Landesverband in einem Interview bezeichnet. Der Machtkampf zwischen Müller und Fraktionschef Raed Saleh habe die Partei blockiert. Indirekt zweifelte Rackles auch an der Druchsetzungsfähigkeit des Regierenden Bürgermeisters: „Er muss viel mutiger werden, Themen zu setzen.“ Die SPD-Führung, so Rackles, sei von „Mehltau“ befallen.

Der SPD-Parteitag beginnt am Freitag um 17 Uhr im Hotel Andel’s Berlin in der Landsberger Allee mit der Wahl der Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl. Zum Schwur kommt es dann am Samstag. Neben dem Landesvorsitzenden werden auch seine vier Stellvertreter gewählt. (wera)

Kurze Zeit später meldete sich auch der ehemalige Chef der Senatskanzlei Björn Böhning zu Wort. Ohne Müller beim Namen zu nennen, schrieb Böhning: „Das Grundproblem der SPD ist, dass sie keine klare Linie mehr hat.“

Selten ist der Führungsstil eines Parteivorsitzenden vor einem Wahlparteitag so sehr kritisiert worden wie der von Müller in diesen Wochen. Selbst vor öffentlichen Beschädigungen an ihrem Vorsitzenden scheuten die Genossinnen und Genossen nicht zurück. Müllers Plan, die Bildungspolitikerin Maja Lasic und Juso-Chef Kevin Kühnert zu seiner Stellvertretern zu machen, scheiterte. Auflaufen lassen und dann Führungsschwäche kritisieren. So manches Küsschen könnten sich die Genossen am Freitag und Samstag eigentlich sparen.

„Mickey-Mouse-Themen“

Nicht anders ist es auch in der rot-rot-grünen Koalition. Auch dort zeigt Müller bislang kein glückliches Händchen. Zuletzt am Dienstag soll er in der Senatssitzung wieder die Linke attackiert haben, indem er der Partei vorwarf, „Mickey-Mouse-Themen“ in den Vordergrund zu stellen. Der Chef der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, twitterte daraufhin: „Ach wie schön, es wird wieder Parteitag, die Sozis schlagen aus.“

Auf Augenhöhe, so haben es SPD, Linke und Grüne vereinbart, wolle man Berlin regieren. Doch vor allem der Regierende Bürgermeister hat dafür noch keinen Modus Vivendi gefunden. So werfen ihm die Linken vor, gegen andere loszukeilen, „um seinen SPD-Laden zusammenzuhalten.“

Auf Dauer kann das natürlich nicht gut gehen – vor allem nicht für die Berliner SPD. Sollte die Koalition platzen und es zu Neuwahlen kommen, dann werden vor allem Linke und Grüne profitieren. Aber Rot-Rot-Grün mit der SPD als Juniorpartner? Mit Müller unmöglich.

Und in der SPD? Auf das Ergebnis von Müller darf man gespannt sein. Eine Zahl als Ziel hat er sich nicht gesetzt, sagte lediglich. „Ich rechne mit einer Mehrheit.“ Und hinterher gibt es Blumen und Küsschen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.