Zeit-Redakteur über Umgang mit der AfD: „Man ist kein Zweifelnder mehr“

Der Journalist Martin Machowecz kritisiert, dass Kollegen am Wochenende an der Demonstration gegen die AfD teilgenommen haben.

Viele Menschen mit Plakaten und goldenen Fahnen, zwei Wagen vor dem Brandenburger Tor

Ist es ok, dass Journalist*innen gegen die AfD mitdemonstrieren? Foto: imago/Emmanuele Contini

taz: Herr Machowecz, Zehntausende Menschen haben am Sonntag gegen die AfD demonstriert. Darunter auch Journalisten. Das nennen Sie auf Twitter problematisch. Warum?

Martin Machowecz: Mich hat das gewundert. In meiner Timeline tauchten viele Kollegen auf, die stolz mitteilten, die AfD in die Schranken gewiesen zu haben. Dabei haben wir Journalisten eigentlich eine privilegierte Möglichkeit, Kritik an der AfD zu üben: in unseren Texten.

Nun ist die Alternative für Deutschland eine Partei, die in Teilen offen rassistisch ist. Wieso sollten Journalisten nicht in ihrer Freizeit dagegen protestieren? Gibt man als Journalist sein Recht auf freie Meinungsäußerung auf?

Natürlich nicht, ganz im Gegenteil. Man muss als Journalist sogar eine Haltung haben: Es ist unser Job, sich immer wieder eine zu erarbeiten. Genau deshalb finde ich es schwierig, sich an einer Demonstration gegen eine Partei zu beteiligen, über die man noch berichten will. Man ist dann kein Zweifelnder mehr, man wirkt zu­mindest voreingenommen.

Die Kollegen haben vor Ort ihre Meinung vertreten. Ich habe mich auf Twitter auch in Ihrem Thread geäußert – und Ihnen widersprochen. Kann ich Sie jetzt noch interviewen?

Aber klar doch. Ist doch schön, dass wir über den richtigen Umgang mit der AfD diskutieren. Nur ist das etwas anderes, als explizit gegen eine Partei auf die Straße zu gehen – und dann, wie bei der Anti-AfD-Demo, noch stolz darüber zu twittern.

ist Büroleiter der Zeit im Osten. Er wurde im säschsischen Meißen geboren und hat die Deutsche Journalistenschule in München besucht.

Warum?

Es entsteht der problematische Eindruck, wir Journalisten seien alle einhellig gegen die Partei. Und wir wüssten genau, was gut und böse ist. Das erschwert es, mit deren Wählern in Kontakt zu bleiben. In Sachsen, von wo aus ich berichte, sind das bis zu 30 Prozent der Wahlberechtigten. Ich habe überhaupt den Eindruck, dass unsere Leser es schätzen, wenn wir offen dafür sind, ständig unsere Positionen zu überprüfen, nicht immer alles schon ganz genau wissen.

Aber die Demonstrationen richteten sich nicht gegen einzelne Wähler, sondern gegen die Partei. Wer Donald Trumps Politik ablehnt, beleidigt ja auch nicht gleich jeden, der ihn gewählt hat.

Ich weiß nicht, ob man das immer trennen kann. Ich bin selbst teils erschüttert von den AfD-Funktionären, mit denen ich beruflich zu tun habe. Aber ich finde es falsch, AfD-Wählern den Eindruck zu vermitteln, wir würden sie kollektiv ausgrenzen – und dass ihre Haltungen in der Berichterstattung nicht vorkommen sollten. Wer die AfD insgesamt ausgrenzt, bestärkt sie in ihrem Pariagehabe.

Viele dieser Haltungen sind aber auch offen menschenfeindlich. Um den Eindruck universeller Ablehnung zu vermeiden, sollten Journalisten auf ihr Recht verzichten, genau das anzuprangern?

Journalisten können das doch in Kommentaren und Essays anprangern. Aber klar: Jeder Kollege ist frei in seinen Entscheidungen. In Sachsen sind bald Landtagswahlen und ich beschäftige mich intensiv mit der Frage, ob die AfD diese Wahl womöglich wird gewinnen können. Allen, die das verhindern wollen, würde ich raten, sich die Mühe zu machen, der AfD immer wieder im Konkreten nachzuweisen, wo sie falsch liegt.

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