Ruanda sponsert den FC Arsenal: Shitstorm of Shame

Ruanda will mit Werbung auf Trikots des Fußballclubs FC Arsenal den Tourismus ankurbeln. Das finden englische Boulevardblätter gar nicht gut.

Eine Luftaufnahme. Eine Elefantenherde zwischen Bäumen

Zehn Prozent der Einkommen aus ruandischen Nationalparks werden in die Gemeinden investiert Foto: dpa

Stellen Sie sich vor, das Bundesland Rheinland-Pfalz will den lokalen Tourismus fördern und schließt mit dem englischen Fußballclub FC Arsenal einen Deal: Ein Jahr lang sollen die Spieler auf ihrem Trikot den Werbeslogan „Bereist den Rhein“ tragen. Das würde niemand wundern; es wäre eine ganz normale Marketing-Strategie, um den Tourismus zu pushen.

Ruanda ist Partnerland von Rheinland-Pfalz – und hat genau das nun getan. 40 Millionen Dollar hat sich Ruandas Regierung diesen Werbegag kosten lassen – und der Shitstorm ist gewaltig. „Shirt of Shame“ (T-Shirt der Schande) lautete die Schlagzeile in der britischen Tageszeitung Daily Mail.

Und der Daily Express rechnet den britischen Lesern vor: Ruanda erhält von Großbritannien 64 Millionen Pfund (73,5 Millionen Euro) Entwicklungshilfe – und bezahlt 30 Millionen Pfund (34,5 Millionen Euro) an den FC Arsenal. „Sponsern britische Steuerzahler also jetzt ihren eigenen Verein mit Entwicklungshilfe?“, fragt die Zeitung. „Verschwendung“ von Steuergeld nennen das britische Kritiker.

Aber jetzt mal halb lang! Was Ruandas Regierung hier treibt, ist keine sinnlose Veruntreuung internationaler Entwicklungsgelder, sondern eine durchdachte Strategie, die langfristig dafür sorgen soll, dass das kleine Land im Herzen Afrikas von Hilfsgeldern unabhängig wird.

Ruandisches Geld

„Wir haben keinen einzigen Cent der Hilfsgelder ausgegeben, um Arsenal zu sponsern“, versichert Ruandas Vize-Außenminister Olivier Nduhungirehe gegenüber der taz. Das veranschlagte Geld stamme „zu Hundert Prozent“ aus den Einnahmen aus dem Tourismus. Es ist ruandisches Geld und die Regierung darf entscheiden, für was sie es ausgibt.

Angesprochen auf all die internationale Kritik über den Deal, klingt der Vize-Außenminister verbittert: „Diese Leute behandeln uns nach wie vor wie ein armes afrikanischen Land, das keine eigenen Ambitionen haben darf – ganz nach dem Motto ‚Wir füttern euch durch‘!“.

Aber die Ruander wollen nicht durchgefüttert werden – und dafür gibt es einen Plan: Das Land mit gerade einmal 12 Millionen Einwohnern, das noch vor 20 Jahren nach einem brutalen Völkermord eine Trümmerwüster ohne wirklich nennenswerte Rohstoffreserven war, setzt auf Tourismus als Entwicklungsmotor. Die seltenen und vom Aussterben bedrohten Berggorillas sind weltweit eine Attraktion. Das hat Potenzial.

Brüssel, London, New York

Die Ruander haben investiert: in Hotels, Straßen, Nationalparks. Derzeit wird ein neuer internationaler Flughafen gebaut, der modernste in Afrika. Die staatliche Fluggesellschaft Rwandair fliegt mittlerweile nicht nur alle größeren Hauptstädte Afrikas an, sondern auch Brüssel, London und bald auch New York. In Ruandas Hauptstadt Kigali überragt das drittgrößte Konferenzzentrum des Kontinents die Hausdächer – übrigens von deutschen Architekten entworfen. Jetzt geht es darum, Kunden anzulocken, um die Hotelbetten auch voll zu kriegen.

Der Tourismussektor ist eine der wichtigsten Einkommensquellen Ruandas. 2017 gaben Besucher aus aller Welt rund 400 Millionen Dollar in Ruanda aus. Das sind rund 13 Prozent des Bruttosozialprodukts. Bis 2024 soll sich das verdoppeln.

Bislang arbeiten rund 20.000 Ruander im Tourismussektor, auch da sollen mehr Jobs entstehen. Zehn Prozent der Einkommen aus den Nationalparks werden in die armen Gemeinden rund um die Parks investiert, um dort Schulen, Krankenhäuser und Straßen zu bauen. Zum Vergleich: Entwicklungshilfe macht rund 16 Prozent des Staatshaushalts aus. Mehr Tourismus – weniger Entwicklungshilfe, so lautet die ruandische Strategie, die hinter dem Sponsoring steckt.

„Jedes Unternehmen weltweit versucht sein Produkt so anzubieten, dass es möglichst viele Kunden erreicht“, sagt Nduhungirehe. Arsenal sei nicht nur in Afrika, sondern weltweit einer der beliebtesten Fußballclubs. „Doch uns geht es nicht um Fußball, sondern um die Zielgruppe“, so der Vize-Außenminister. 35 Millionen TV-Zuschauer erreiche der Club täglich weltweit. Um so viele potenzielle Kunden zu erreichen – dafür habe Ruanda das Geld investiert.

Aufmerksamkeit

Dass der Shitstorm in den Medien jetzt so gewaltig ist, damit habe auch der Vize-Außenminister nicht gerechnet, wie er sagt. Aber letztlich sei das alles gar nicht so schlimm, im Gegenteil, so Nduhungirehe: „Umso mehr die Leute diskutieren, desto mehr Aufmerksamkeit kriegen wir – und das war ja Teil der Strategie“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Simone Schlindwein, Jahrgang 1980, lebt seit 2008 in Uganda und ist taz-Korrespondentin für die Region der Großen Seen: DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Südsudan. Von 2006 bis 2008 war sie u.a. Moskau-Korrespondentin des Spiegel. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. mit dem Journalistenpreis »Der lange Atem« sowie dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher »Diktatoren als Türsteher Europas« (mit Christian Jakob) und »Tatort Kongo« (mit Dominic Johnson und Bianca Schmolze).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.