Geschlechtergerechte Sprache: Gendersternchen auf dem Prüfstand

Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der verbindliche Regeln fürs Schreiben aufstellt, diskutiert am Freitag zum ersten Mal über Binnen-I, * und /.

Symbol mit Männer-, Frauen- und Diverszeichen für geschlechtergerechte Toiletten

Auch ein mögliches Symbol für Geschlechtergerechtigkeit – in Texten aber vielleicht schwierig Foto: ap

BERLIN taz | Viel Streit begleitete vor mehr als 20 Jahren die Einführung der deutschen Rechtschreibreform, die den Fluß zum Fluss und den Paragraphen zum Paragrafen machte. Verlage und WissenschaftlerInnen protestierten, aus Protest gegen die Proteste druckte die taz eine ganze Ausgabe in Kleinschreibung. Der Duden erlebte eine nie gekannte Konjunktur und fand sich auf Spitzenplätzen der Bestsellerlisten wieder.

Seitdem ist es ruhig geworden um die mit der Umsetzung der Reform betraute Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung und ihren Nachfolger, den Rat für deutsche Rechtschreibung. Die „Bewahrung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung“ und die „Beobachtung und Weiterentwicklung der deutschen Sprache“ wurden wieder zu Aufgaben, die die Öffentlichkeit eher selten aufgeregt diskutiert.

Jetzt aber findet sich der Rat ins Zentrum politischer Auseinandersetzungen katapultiert: Die Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung bat den Rechtschreibrat im April um Formulierungshilfe. Eine Mitarbeiterin habe gefragt, ob der Rat eine Empfehlung für die Ansprache von Personen geben könne, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, so der Berliner Senator für Justiz und Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne) gegenüber der taz.

Verständlich sein – aber alle einbeziehen

„Ich finde es richtig, dass wir auch sprachlich vom Dualismus wegkommen“, sagt Behrendt. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur dritten Option sei klar, dass mit männlichen und weiblichen Kategorien nicht alle Menschen erfasst würden. Der Berliner Koalitionsvertrag nutzt das Gendersternchen bereits. Nun wolle man auch eine offizielle Lösung dafür, verständlich zu kommunizieren und zugleich alle Menschen einzubeziehen.

Eine Antwort an die Berliner Senatsverwaltung steht noch aus. Doch nun wird der Rat für deutsche Rechtschreibung bei seiner nächsten Sitzung am Freitag über geschlechtergerechte Schreibung diskutieren. Der Rat hat Macht: Beschließt er eine Änderung, muss dieser noch die Kultusministerkonferenz zustimmen – dann gilt sie für den gesamten deutschen Sprachraum. Könnte also plötzlich das Gendersternchen Einzug in die offizielle deutsche Rechtschreibung finden?

41 Mitglieder hat der Rat für deutsche Rechtschreibung, beteiligt sind etwa SprachwissenschaftlerInnen, LehrerInnen oder VertreterInnen von Verlagen. Geschlechtergerechte Sprache sei nicht nur „ein Rechtschreibproblem, sondern vor allem ein sprachpolitisches“, sagt Sabine Krome von der Geschäftsstelle des Rates. Neben dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe es in jüngster Zeit etwa den Fall der Sparkassenkundin Marlies Krämer gegeben, die bis vor den Bundesgerichtshof gezogen war, um im Femininum angesprochen zu werden – und dort unterlag.

Welche Varianten gibt es im Deutschen überhaupt?

Aufgrund von Ereignissen wie diesen habe sich bereits in der vorigen Sitzung des Rates im November 2017 eine AG gegründet, die sich mit geschlechtergerechter Schreibung beschäftigt. Am Freitag werde die AG dem Rat nun den Status Quo der Geschlechtergerechtigkeit in der deutschen Rechtschreibung aufzeigen. „Wir haben eine Synapse erarbeitet“, sagte Krome, die auch Mitglied der AG ist, „welche Varianten geschlechtergerechter Sprache es im deutschen Sprachraum überhaupt gibt.“

Könnte das Gendersternchen Einzug in die Rechtschreibung finden?

Also zum Beispiel die Möglichkeiten, Lehrerinnen und Lehrer zu schreiben, Lehrer-/Innen oder LehrerInnen, Lehrer (m/w), Lehrx oder Lehrer*innen. Immerhin, sagte Krome, gebe es in anderen Ländern und Regionen im deutschsprachigen Raum bereits Vorbilder, die weiter seien als Deutschland: So habe die Bundesverwaltung der Schweiz bereits in den 90er Jahren einen Leitfaden zum Thema entwickelt. Auch in Österreich oder Südtirol gebe es solche Leitfäden.

Auch die allerdings befassen sich bislang nur mit der Zweigeschlechtlichkeit. Die dritte Option sei „gerade erst aufgeploppt“, sagt Krome. „Das ist ein ganz neues Thema.“ Erst wenn bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen bemerkbar würden, diskutiere der Rat für deutsche Rechtschreibung darüber. Immerhin sei er dafür zuständig, dass die Schreibung im deutschen Raum einheitlich bleibe und sich nicht etwa in Österreich anders oder schneller entwickle als in Deutschland.

Männerdominierte Sprache

Dennoch: „Der Rat hat nicht die Aufgabe, sprachpolitisch tätig zu sein“, sagt Krome. Weshalb man wohl auch abwarten werde, wie die Politik in nächster Zeit reagiere, um Sprache gerechter zu machen. Langfristig gehe es darum, gemeinsam Strategien und Lösungen dafür zu entwickeln, und diese dann auch im „amtlichen Regelwerk“, also der verbindlichen Grundlage für die deutsche Rechtschreibung, festzuhalten. Bislang sei das noch davon geprägt, „dass die deutsche Sprache seit Jahrhunderten männerdominiert ist“.

Am 8. Juni werde es keinen bindenden Beschluss zum geschlechtergerechten Schreiben geben, sagte Krome. „Aber wir werden zumindest in Teilbereichen sagen, wie wir uns positionieren.“ Sie könne sich zum Beispiel vorstellen, dass der Rat das Binnen-I thematisieren werde.

Dass Behrendt, der Berliner Senator für Antidiskriminierung, also eine konkrete Empfehlung vom Rat für deutsche Rechtschreibung dafür bekommt, wie Menschen angesprochen werden, die sich als inter oder divers identifizieren, ist vorerst unwahrscheinlich. Aber so oder so, sagte Behrendt, „werden wir in unserem Bemühen, inklusive Sprache zu verwenden, nicht nachlassen.“ Immerhin wolle die Berliner Verwaltung alle BerlinerInnen erreichen – nicht nur Männer und Frauen.

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