Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Gedröhne von Herrn Seehofer, Österreichs Kanzler wirbt für eine „Achse der Willigen“ und ARD-Dopingexperte Seppelt reist nicht nach Russland.

Menschen in einer Achterbahn, deren Bogen man sieht

Achterbahnfahrt in Sotschi Foto: reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Och, wenn sonst nix ist, immer gern die EU.

Und was wird besser in dieser?

Die EU. Mazedonien und Mazedonien dürfen jetzt Mazedonien heißen und wollen sich vertragen. Es geht mal was!

Amerika first, Italien first, Bayern first – können Sie diesen Zeiten, in denen sogenannte Staatsmänner sich wie Schulhofrowdys aufführen, eigentlich noch irgendetwas positives abgewinnen?

Dachdeckermeister Thon aus Dortmund-Hombruch meint: Dach first, und natürlich legen wir die Kohle an, bevor die Lage wirklich unübersichtlich wird. Während wir also unser Häuschen für bange Zeiten rüsten, kommen die Treffer näher. Trump und Kim Jong-un: Das geht noch als makabere Comedy durch, one an a half man. Wer vor einem Jahr gewettet hätte, dass der „mächtigste Mann der Welt“ einen Bürstengnom vom Schlage GaddafiAssadSaddam um die Wette triefend hofiert, der war ein sehr kluger Chinese.

Nun ist Pekings international isolierte Marionette ein Friedensnobelpreiskandidatenbuddy, der US-Garantien für seinen Schurkenstaat einstreicht. Trump hier also in der Rolle des nützlichen Deppen, dessen Eitelkeit und Geltungsbedürfnis die Dimension eines ausgewachsenen Alkoholproblems einstellt. Und ihn entsprechend spielbar macht. Möge es ein Schlüssel sein für den Umgang mit Seehofer oder Conte oder all den Selbstverzwergern, die sich von ihrem Ego über die Bühne schleifen lassen.

Gibt es nun eigentlich einen „Bamf-Skandal“ oder nicht? Und wenn ja – worin besteht er?

Schöne Gewissensfrage: Würden Sie 1.000 Jesiden unbürokratisch hier Asyl gewähren – oder krumme Bundeswehrwummen an ungenaue Kurdenkämpfer verschenken, damit sie ein paar Jesidenmörder erwischen? Die deutsche Antwort hieß: Beides, aus Versehen, und man könnte sie auch ohne Korruption nachvollziehen.

Im Asylstreit in der Union stellt sich Andrea Nahles hinter Kanzlerin Merkel. Steht sie da gut?

Zu Ende gedacht ist das Gemetzel erst, wenn Seehofer, Söder oder Spahn sich eine Kanzlerkandidatur zutrauen. Bis dahin ist Seehofers durchgestochenes „Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten“ nur Gedröhne, wie es das 2015 mit dem Demütigungsparteitag, der angedrohten Verfassungsklage der CSU war. Und dem Kompliment an Merkel: „Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“ Dies Backenaufblasen hat die CSU nicht gerettet, denn weder „Obergrenze“ noch „Heimatminister“ drückten den „Stöpsel wieder auf die Flasche“, wie Seehofer ahnte.

Kurz: Die Unionsrechten stärken Positionen, die viele Wähler der AfD gutschreiben. Und die spielt Mühle auf, Mühle zu: Setzt Seehofer sich durch, hatte die AfD schon immer recht; rudert er zurück, hat die AfD noch rechter als recht. Sollten die Rechtspopulisten dabei Merkel zerlegen, müssen sie liefern. Hinter Merkel zu stehen ist damit der Ort, der keine Deckung mehr hat, wenn sie fällt. Ja, dann muss Nahles ran.

ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt reist nicht zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Russland. Es sei zu gefährlich, sagen Polizei und Geheimdienste. Eine nachvollziehbare Einschätzung?

Im ARD-Radio hörte ich beim Match Argentinien–Island rund 25-mal den Markennamen Fifa. Auch, wo es journalistisch eher bedingt zwingend schien – „von den Verkehrshinweisen wieder zur Fifa-WM“ und so. Das scheint, in traditioneller ARD-Logik, die Tochter, die anschaffen geht, damit der Sohn Theologie studieren kann. Der Sohn heißt „ARD-Dopingredaktion“ – bei Licht betrachtet eine kleine Firma, mit der Seppelt bei der ARD um Jahresverträge zu buhlen hatte.

Nun musste er gewahren, in Russland vom Zeugen vor dem „staatlichen Untersuchungskomitee“ im Hirnumdrehen zum Beschuldigten geschrumpft zu werden. Und ein in Russland nicht unüblicher „Anschlag eines geistig Verwirrten“ liest sich auch sportlicher, als es für Seppelt hätte werden können. Kurz: Er bleibt daheim. Und bilanziert: „Die Botschaft richtet sich an alle Journalisten: Seid vorsichtig, berichtet nur vom grünen Rasen.“ Und der Name Fifa sei beim nächsten Spiel weitere 25-mal gepriesen von Seppelts Lohnherr ARD.

Der österreichische Kanzler Kurz hat in Berlin für eine „Achse der Willigen“ in der Frage der Abweisung flüchtender Menschen geworben. Hat der Ostmärker ein Sprachproblem?

Im Gegentum. Scheinheilige Zitate von Nazislang haidern seit 30 Jahren durch die österreichische Politik, machten die FPÖ groß und scheinen ein Schlüssel zum Herzen vieler Wähler. Lustig, dass Horst Seehofer die Integrationskonferenz schwänzte, weil eine Teilnehmerin seinen Heimatbegriff mit dem der Nazis in Verhältnis gesetzt habe. Stattdessen traf er einen Bundeskanzler, der die gemeinsame Linie mit einem Begriff der Nazis belegt hatte.

Das Bundesinnenministerium hat die Rückführung des mutmaßlichen Mörders von Susanna F. aus dem Irak verteidigt. Der Einsatz der Bundespolizei sei rechtmäßig gewesen. Die Regierung in Bagdad kritisierte die Aktion dagegen. Wer hat recht?

Das Innenministerium hat seine Darstellung über seinen fliegenden Sheriff nun dreimal geändert; da muss man schneller kommentieren als sein Schatten, um mitzuhalten. Abwarten.

Boris Becker will nicht für pleite erklärt werden und entsprechend das Insolvenzverfahren, das gegen ihn am Londoner High Court läuft, stoppen. Wie gut, dass er Ende April von der Zentralafrikanischen Republik zum Attaché für Sport und Kultur in der Europäischen Union berufen worden ist. Nun pocht er im Verfahren auf seine diplomatische Immunität. Für welches Land wären Sie gerne Attaché?

Nachdem neulich ein saudischer Diplomat in Berlin einen Radfahrer mit einem schwungvollen Türaufschlag straffrei töten durfte – ein verlockendes Angebot. Becker hingegen soll „uns in die Welt der Geschäftsleute einführen, um finan­zielle Mittel zu bekommen“, erklärt der europäische ZAR-Botschafter. Die Idee, Becker könne helfen, Geld zu besorgen, ist immerhin originell oder eine bisher unbekannte Spielart afrikanischen Humors.

Und was machen die Borussen?

Wollen sich über die Pause personell grundlegend neu aufstellen. Das kann teuer werden. Oder was kostet Island?

Fragen: Maha, AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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