Kolumne Einfach gesagt: Wo der Horst hängt

Schwesterparteien sind noch lange keine Sistas. Immerhin: Mit Chauvinismus hat das ewige Gebaren von Horst Seehofer wohl eher am Rande zu tun.

Horst Seehofer und Angela Merkel reden miteinander

Zweckfreundschaften sind meistens Bockmist Foto: dpa

„Männer und Frauen können keine Freunde sein“, sagte die Freundin und faltete die Tageszeitung samt Seehofers und Merkels Köpfen zusammen. Der Hamburger Stadtpark quoll über, Frauen, Männer, Jungen und Mädchen vergnügten sich gemeinsam auf den weiten Wiesen im hitzigen Frühsommer.

„Wie jetzt?“ fragte ihr Bruder, wendete die Miniwürste auf dem Einweggrill und nahm einen Schluck aus der Weißweinflasche.

Die Freundin schüttelte die Flasche Wodka mit Mineralwasser auf, er fragte: „Bäh! Wodka Schorle?“ „Skinny Bitch heißt der Spaß!“, sagte ihr Freund, der Creative Director. „Nur weil man das schick benennt, muss das noch lange nicht schmecken!“, meinte der Bruder.

„Nur weil CDU und CSU Schwesterparteien heißen, sind die noch lange keine Sistas“, sagte die Freundin. „Das hat aber nichts mit Geschlechterkampf zu tun, wenn du mich fragst!“, rief ein Herr von der Nachbardecke, nahm einen Schluck Prosecco aus der Dose und schob seine Sonnenbrille in die vollen grauen Haare.

Bitte keine Erotik

Der Creative Director leerte den Rest Grauburgunder auf Ex und sagte: „Die Unionsfraktion hält sich doch fast siebzig Jahre. Das is’mal ’ne Marke. Respekt, sag ich.“ Die Freundin antwortete: „Ja, ja! Solang der Boss noch keine Frau war, lief der Laden. Die CSU ist heutzutage aber immer noch der Männer-sind-Schweine-Verein, dagegen sind die Berliner CDUler ja fast Hippies.“ „Na, allerhöchstens Vorabendhippies“, sagte der Herr und zerdrückte die Proseccodose mit einer Hand.

Die Freundin sagte: „Hippie oder Spießer – Seehofer und Merkel würden nur noch funktionieren, wenn die erotisch interessiert aneinander wären. Aber sie dürften natürlich nie miteinander in die Kiste, nach einem Mal hätte sich das dann nämlich erledigt.“

„Iiiiiihhh, hör auf, das will ich mir gar nicht vorstellen, jetzt kann ich nicht weiter essen!“, rief ihre kleine Schwester. „Halt mal deine ekligen Fantasien im Zaum!“

Lieber Zwangsehe

„Echt jetzt, dann lieber weiter Zwangsehe“, sagte der gute Freund. „Erzwungen ist nie gut, zu viel schlechte Energie“, murmelte der Herr von nebenan schläfrig. „Aber irgendwann waren die sich doch mal in was einig, oder?“, fragte die kleine Schwester. „Logo, bei Machtgier und dieser gruseligen ‚Multikulti-ist-tot‘-Nummer!“, sagte die Freundin.

Das Stück ist schnell erklärt: Seehofer macht CSU-Wahlkampf für Bayern auf Kosten Geflüchteter, weil er keine Stimmen an die AfD verlieren will. Grillabende mit Merkel gibt es aber wohl schon länger nicht.

Zweckfreundschaft wird meist auf perfide Weise geknüpft, weil es schnell gehen muss. Geheimnisse werden ausgeplaudert, Dritte verraten, diabolische Pläne geschmiedet, Schwächere gemobbt, Parolen gebrüllt, Rassismus banalisiert. Ad hoc wird ein Wir-Gefühl auf Bockmist errichtet. Das hält nie lang. Rassismus schweißt auch nur dann zusammen, wenn man dieselben Interessen verfolgt.

Mit Chauvinismus hat das ewige Gebaren von Seehofer wohl eher am Rande zu tun – und der Mann ist zu alt für eine Midlifecrisis. Aber vielleicht will er seine Unsterblichkeit herbeitrommeln, indem er der mächtigsten Frau zeigt, wo der Horst hängt.

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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