VW-Strafzahlung an Niedersachsen: Die unverhoffte Milliarde

Das Bußgeld, das VW an Niedersachsen zahlen musste, verteilt Ministerpräsident Stephan Weil nun im eigenen Land. Schleswig-Holstein hätte gern etwas davon abgehabt.

Ein Zaun, an dem ein VW-Plakat mit der Aufschrift "Happy End" hängt

Für Niedersachsen läuft es: VW zahlt eine Milliarde an das Land Foto: dpa

HANNOVER taz | Stephan Weil sitzt auf dem Podium im Raum der Landespressekonferenz im niedersächsischen Landtag. Er hat die Arme über der Brust verschränkt, auf seinem Gesicht liegt ein angedeutetes Lächeln.

Es läuft gut für den niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten. Die eine Milliarde Euro, die Volkswagen als Bußgeld wegen der Abgasmanipulationen an das Land Niedersachsen zahlen muss, ist schon auf dem Konto des Justizministeriums eingegangen. Nun erzählt Weil, was er mit dem unverhofften Geldsegen anfangen möchte.

Baustellen gibt es im Land genug, genauso wie Bittsteller. Weil bedenkt nun viele ein bisschen. 350 Millionen Euro will das Land in die Digitalisierung investieren, 150 Millionen Euro in die maroden Universitätskrankenhäuser in Hannover und Göttingen, 200 Millionen Euro in die übrigen Krankenhäuser im Land. Je 100 Millionen Euro bleiben für kommunale Sportstätten, die Tilgung von Altschulden und Maßnahmen für bessere Luft in den Städten.

Man habe nicht vergessen, aus welchem Grund das Geld in der Landeskasse gelandet sei, sagt Weil. „Wir haben als Landesregierung das ganz eindeutige Ziel, Fahrverbote zu vermeiden.“ Deshalb sollten die Kommunen „sehr nachhaltig“ unterstützt werden.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ein Bußgeld von einer Milliarde Euro gegen die VW-AG wegen der Verletzung von Aufsichtspflichten bei den Abgasmanipulationen verhängt.

Unklar ist noch, inwiefern VW die Zahlung von der Steuer absetzen darf. Das könnte rund 150 Millionen Euro geringere Körperschaftssteuer bei Bund und Ländern sowie 140 Millionen Euro geringere Gewerbesteuern für die Kommunen zur Folge haben.

Stephan Weil sprach nur von „möglicherweise geringfügigen Abstrichen“. Stefan Wenzel (Grüne) kritisierte, das Land habe selbst nur einen Teil der Steuerausfälle: „Die Party zahlen andere.“

Auch Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) ist von dem Plan überzeugt. „Es ist ein kluger Mix aus Zukunftsinvestitionen und Altschuldentilgung“, sagt er.

250 Kilometer nördlich hat Schleswig-Holsteins Finanzministerin genau verfolgt, wofür Niedersachsen das VW-Bußgeld ausgeben will. Und Monika Heinold ist darüber not amused. Vor einigen Tagen hatte sie gefordert, dass die Milliarde aufgeteilt wird. „Der Anstand würde es gebieten, das Geld bundesweit allen Betroffenen zur Verfügung zu stellen“, sagte sie den Lübecker Nachrichten. „Niedersachsen weiß nicht wohin mit der Milliarde, während die Kommunen mühsam das Geld für die Umsetzung von Luftreinhalteplänen zusammensuchen.“

Nun legt Heinold gegenüber der taz nach: „Niedersachsen hat offensichtlich die Zeichen der Zeit verschlafen“, sagt die schleswig-holsteinische Finanzministerin. „Mit dem vorgelegten Programm macht die niedersächsische Landesregierung deutlich, dass sie sich null um den bundesweit entstandenen Schaden schert.“

Niedersachsen vertue die einmalige Chance, das Geld in ein Klimaschutzprogramm zu investieren, von dem auch die anderen Bundesländer profitiert hätten. Heinold denkt dabei an ökologische Investitionen in moderne Verkehrssysteme oder Elektromobilität. „Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, das Geld für die Verbesserung der Luftqualität bundesweit einzusetzen.“

Niedersachsen will nicht teilen

Das Land Niedersachsen hatte es abgelehnt, das Geld mit anderen Bundesländern zu teilen. Juristisch ist das korrekt, da Bußgelder in dem Land verbleiben, das sie eintreibt.

Doch auch in Niedersachsen selbst gibt es große Kritik an der Verwendung der Strafzahlung. „Das Land schwimmt in Geld, macht aber jetzt die größten Fehler“, sagt Christian Grascha von der FDP. Wie auch der Bund der Steuerzahler hatte sich die Fraktion dafür ausgesprochen, das Geld ausschließlich für den Schuldenabbau einzusetzen.

Niedersachsen hat momentan mehr als 61 Milliarden Euro Schulden. Das Land wird nun je 100 Millionen Euro über das VW-Bußgeld und den Haushalt abbezahlen. Das reicht der FDP jedoch nicht. Die in ihren Augen zu geringe Summe zeige, „wie wenig sich diese Landesregierung um die nachfolgenden Generationen schert“ sagt Grascha.

Der Nabu ist sauer

Weil verweist jedoch auf die „verdeckte Staatsverschuldung“. Über Jahrzehnte hinweg habe es in Niedersachsen einen Sanierungsstau gegeben – „die stärksten Beispiele sind die Universitätskliniken in Niedersachsen“, so der Ministerpräsident. Heute sei es nötig, dass beide Kliniken mit einem Milliardenaufwand saniert würden.

Die Grünen und der Naturschutzverband Nabu hatten sich dafür ausgesprochen, dass das Geld vollständig in den Naturschutz beziehungsweise die Förderung von alternativen, schadstoffarmen Mobilitätskonzepten fließt.

Der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann zeigte sich nun recht sauer über die tatsächlichen Pläne: „Natur und Umwelt sind Verlierer dieses Abgas-Skandals!“ Der Schaden an der Umwelt sei angerichtet. Nun müsse er behoben werden. „Mit welchen Mitteln, außer der von VW gezahlten Milliarde, plant die Landesregierung diesen nun zu beseitigen?“, fragt Buschmann.

Auch die Grünen im niedersächsischen Landtag halten 100 Millionen Euro als Investition in saubere Luft für viel zu wenig. Die Summe sei „nicht mehr als ein klimapolitisches Feigenblatt“, sagt Fraktionschefin Anja Piel. „So werden weder Fahrverbote verhindert, noch die wirklichen Klimaschulden abgetragen.“

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