Gymnasium wehrt sich gegen Inklusion: Klage gescheitert

Eine Bremer Schulleiterin klagte dagegen, dass ihr Gymnasium geistig behinderte Kinder beschulen muss, aber das Gericht folgte ihrer Argumentation nicht.

Ein Flachbau mit schwarz-weißer Fassade

Darf sich der Inklusion nicht verschließen: Das Gymnasium Horn Foto: Michael Bahlo

BREMEN taz | Ein Bremer Gymnasium ist dazu verpflichtet, Kinder mit Behinderung zu unterrichten. Die Schulleiterin hat kein Recht, gegen eine entsprechende Anordnung der Bremer Schulbehörde zu klagen, auch wenn sie sie für pädagogisch unsinnig hält. Das hat am Mittwoch das Bremer Verwaltungsgericht festgestellt.

Es geht um das umstrittene Thema der „Inklusion“: Im November hatte ein Schulrat der Leiterin des Bremer Gymnasiums Horn, Christel Kelm, die Anweisung der Schulbehörde übermittelt, eine ihrer sechs neuen Klassen im Herbst 2018 als „Inklusionsklasse“ zu planen – für maximal fünf „W&E“-Kinder.

„W&E“ steht für „Wahrnehmungs- und Entwicklungsstörung“, früher wurden sie als „geistig Behinderte“ bezeichnet. Die Voraussetzung für diese Einstufung ist die Prognose, dass solche Kinder keinen der normalen Schulabschlüsse schaffen können und voraussichtlich lebenslang eine besondere Betreuung benötigen.

Wenn solche Kinder Gymnasien zugewiesen werden – für zwei der acht Bremer Gymnasialstandorte ist das bisher schon der Fall – dann heißt das natürlich nicht, dass sie am normalen gymnasialen Unterricht teilnehmen. „Inklusion“ bedeutet da, sie sollen in die Schulgemeinschaft integriert werden, eventuell an „gestalterischen“ Unterrichtseinheiten in Kunst und Musik oder Biologie teilnehmen. Im Wesentlichen werden sie aber in sogenannten „Differenzierungsräumen“ von einer Sonderpädagogin, einer Klassenassistenz und persönlichen Assistenzen je nach Bedarf betreut.

Nach der öffentlichen Debatte hat

sich keine Sonderpädagog*in an der Schule beworben

Da es im Unterricht nicht um „Inklusion“ geht, heißen die Klassen „Koop-Klassen“. Für die Gymnasien hat das den Vorteil, dass die Klassenfrequenz nicht bei 30 liegt, sondern nur bei 19 – plus maximal fünf „W&E“-Kinder.

Der Vertreter der Schulbehörde, der ihr diese Anordnung überbracht hat, so berichtete die Schulleiterin vor Gericht, habe ihr gleich deutlich gemacht, dass diese Zuweisung auf der fachlichen Ebene der Behörde höchst kritisch gesehen werde, dass es aber eine Verabredung der Koalitionspartner von SPD und Grünen gebe, die Gymnasien in die Betreuung von Inklusionskindern stärker einzubinden. Es gehe „ums Prinzip“ und weniger um den effektiven Bedarf.

Schulleiterin Kelm hatte schon im November gegen die Anordnung protestiert mit der Begründung, dass niemand an ihrer Schule, auch sie selbst nicht, über eine sonderpädagogische Qualifikation verfüge und sie daher nicht die Verantwortung für solche Kinder übernehmen könne. Von den „Inklusionsklassen“ an anderen Schulen wisse sie zudem, dass die Ankündigungen der Behörde, was an Ausstattung kommen werde, oft „nur auf dem Papier“ stehe.

Eine Frage der Ausstattung

Das Gymnasium Horn hat einen guten Ruf und ist stark angewählt. Um aus einem normalen Klassenraum einen „Differenzierungsraum“ zu machen, reiche die Einrichtung einer Küchenzeile, erklärte der Vertreter der Schulbehörde – das sei bis Schuljahresbeginn in sechs Wochen zu schaffen. Eine sonderpädagogische Fachkraft habe sich nach der öffentlichen Diskussion um die Ablehnung der Inklusion zwar nicht für die Schule beworben, aber man werde einen Beamten „abordnen“.

De facto gebe es bisher nur drei Kinder für die Koop-Klasse, teilte die Schulleiterin mit, und die Idee der Schulbehörde, den Differenzierungsraum im dritten Stock des Schulgebäudes einzurichten, stoße bei den Eltern auf Bedenken. Zudem reiche die Ausstattung des behindertengerechten Bades nicht aus. Insgesamt könne die Schule die speziellen „Bedarfe“ dieser drei Kinder bisher nicht bewerten und auch die Arbeit mit diesen Kindern könne niemand planen – da niemand in der Schule dafür qualifiziert sei.

Aber das sind alles pädagogische Gesichtspunkte, die auf der rechtlichen Ebene keine Rolle spielen. Die Schulleiterin hatte sich daher auf einen Paragrafen bezogen, in dem es heißt, dass es der Auftrag der Gymnasien sei, Schüler mit einem erhöhten Leistungsprofil in acht Jahren zum Abitur zu führen. Es gebe aber, so die Richterin, einen anderen Paragrafen im Schulgesetz, mit dem sich Bremen auf die Inklusion verpflichte. Wie sie auszugestalten sei, liege in der Kompetenz der Schulbehörde, nicht in der der Schulen.

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