Grünen-Politikerin zu Schulbauplänen: „Die Sorge ist hypothetisch“

Bürgerinitiative sammelt Unterschriften gegen rot-rot-grüne „Schulprivatisierung“. Es gebe kein Risiko, verteidigt Stefanie Remlinger (Grüne).

Erfahren im Protest gegen Privatisierungsvorhaben: Die Bürgerinitiative bei einer früheren Aktion vor dem Bundeswirtschaftsministerium Foto: Felix Zahn/dpa/picture alliance

taz: Frau Remlinger, zunächst mal eine Zukunftsvision: 2028, das landeseigene Wohnungsbauunternehmen Howoge ist in finanziellen Schwierigkeiten und saniert sich mit dem Verkauf von Schulgebäuden, an denen die GmbH dank des jetzigen rot-rot-grünen Senats das Erbbaurecht besitzt. Können Sie diese Vision auch sehen?

Stefanie Remlinger: Nein, die sehe ich nicht. Meine Vision ist die: Wir haben mindestens 60 neue Schulen gebaut, und 160 weitere Standorte ausgebaut. Wir haben das Gesicht der Stadt verändert, und zwar zum positiven. In zehn Jahren gelten die ökologischen Standards und die Architektur der neuen Schulen als Maßstab für Schulbau über Berlin hinaus.

Eine schöne Vision. PrivatisierungskritikerInnen wie die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand hätten sie nur lieber ohne die Howoge GmbH realisiert…

Ich verstehe, dass man strukturelle Ähnlichkeiten zu einer öffentlich-privaten Partnerschaft sehen kann. Es ist aber keine. Weil keine Public-Private-Partnership da sein kann, wo kein privater Partner mit an Bord ist. Die Howoge ist ein landeseigenes Unternehmen, und vor allem: Es findet keine Übertragung von Eigentum statt.

Die Kritik der Bürgerinitiative Gemeingut in BürgerInnenhand: Indem man die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge GmbH am Neubau und an Sanierungen beteilige, bereite der rot-rot-grüne Senat einem möglichen Verkauf von Schulgebäuden den Weg. Am Donnerstag fehlten der Initiative noch rund 2.300 der nötigen 20.000 Unterschriften, um eine Anhörung im Parlament zu erzwingen.

Die Schulbauoffensive des Landes sieht vor, bis 2026 rund 5,5 Milliarden Euro zu investieren. Davon entfallen 1 Milliarde auf die Howoge, die rund die Hälfte der 60 Schulneubauten und elf große Sanierungen übernehmen soll. Nach der Sommerpause muss noch das Parlament den Senatsplänen zustimmen.

Die Howoge ist als Erbbaurechtsnehmerin aber doch im Besitz der Schulgebäude?

Die Howoge kann sie aber nicht verkaufen. Sie ist zwar Erbbaurechtsnehmerin, aber was sie mit den Gebäuden tun darf, wird vertraglich geregelt sein: Wir werden im Grundbuch eintragen lassen, dass die Howoge lediglich das Recht hat, die Gebäude zu bauen beziehungsweise sie zu bewirtschaften. Der Verkauf wird definitiv nicht mit dazugehören. Von daher ist die Sorge, die Howoge könnte mit dem Verkauf von Schulen Verluste aus anderen Geschäften ausgleichen auch völlig hypothetischer Natur.

Und was ist im umgekehrten Fall: Wenn sich Baumaßnahmen verzögern, Baukosten explodieren – dann könnte doch die Howoge versucht sein, diese Kosten auf die MieterInnen im Wohnungsbaugeschäft umzulegen?

Stefanie Remlinger

Jahrgang 1970, ist seit 2011 Mitglied des Abgeordnetenhauses und Sprecherin für berufliche Bildung und Haushaltspolitik der Grünen-Fraktion.

Der Howoge entsteht kein Risiko, weil das Land die Mietzahlungen gewährleistet, die die Bezirke im Gegenzug für die Sanierung beziehungsweise den Neubau der Gebäude an die Howoge zahlen. Und diese Raten können uns auch nicht aus dem Ruder laufen. Weil sie erst dann vereinbart werden, wenn wir wissen, wie hoch die Baukosten tatsächlich sind. Bei Neubauten wissen wir das mit Fertigstellung der Planung, bei Sanierungen mit der Fertigstellung des Gebäudes. Kommt dann hinterher noch etwas unvorhergesehenes dazu, übernimmt das Land den Nachschlag. Es sei denn, die Howoge verschuldet etwas selbst.

Das ist aber doch ein Risiko für die Howoge.

Das ist ein ganz normales Geschäft im Hauptausschuss, wenn wieder etwas teurer geworden ist in Berlin. Dann fragt man nach dem „warum“ und steuert im Zweifel nach. Bei der Howoge ist wichtig: Die Buchungs- und Rechnungskreisläufe für das Mieten- und das Schulgeschäft werden getrennt geführt werden. Und jede größere Vermögensentscheidung darf die Howoge zudem nicht ohne den Aufsichtsrat treffen. Und wer sitzt im Aufsichtsrat? Das Land Berlin.

Könnte aber doch sein, dass eine Nachfolgeregierung beschließt, die Howoge zu zerschlagen. So wie es eine rot-rote Regierung 2004 schon mal bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW gemacht hat.

Das schlimme an unserer Demokratie ist: Eine dumme Regierung kann dumme Sachen tun. Aber das hat nichts mit der Rechtsform zu tun, in der wir das Schulgeschäft organisieren. Jede Regierung kann Schulgebäude aus der bestehenden Struktur heraus verkaufen. Anders gesagt: Verkauft werden kann immer, völlig egal in welcher Rechtsform das Land Berlin seine Staatsaufgaben erfüllt. Das wurde in der Vergangenheit ja auch getan, als Bezirke Schulen verkauft haben, weil die Schülerzahlen in Berlin lange Zeit zurück gingen.

Wer kontrolliert, dass die Howoge sich tatsächlich an alle Rahmenverträge hält und so schön und ökologisch korrekt baut, wie Sie sich das vorstellen?

Wir haben ein halbjährliches, schulscharfes Berichtswesen vereinbart, mit umfangreichen Controllingdaten. Das muss die Howoge dem Unterausschuss Controlling im Parlament vorlegen, genauso wie die Bezirke und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die ja auch Schulen bauen wird. Es wird ein volles parlamentarisches Akteneinsichtsrecht geben, auch gegenüber der Howoge. Als Grüne verhandeln wir gerade noch, dass wir die Landeshaushaltsordnung so modifizieren, dass auch der Landesrechnungshof mit drauf schauen kann.

Noch mal ganz grundsätzlich gefragt: Warum braucht es überhaupt die Howoge? Die Landeskassen sind voll, die Steuerprognose ist günstig. Kann man da die eine Milliarde Euro für die Schulen, die die Howoge jetzt über Kreditaufnahme finanzieren soll, nicht auch noch aus dem Landeshaushalt stemmen?

Der Hauptgrund ist, dass wir einen zusätzlichen Player mit an Bord nehmen, der einen Teil der Arbeit macht. Die Tatsache, dass die Howoge Kredite aufnehmen kann, auch unter Bedingung der Schuldenbremse, die ja ab 2020 für Berlin gilt, ist da eigentlich sekundär.

Stichwort Kredite: Warum vertrauen Sie darauf, dass die Zinsen tatsächlich so niedrig bleiben, wie die Senatsverwaltung für Finanzen voraussagt – nämlich 0,2 Prozentpunkte über kommunalkreditähnlichen Konditionen?

Weil es für die Banken keine bessere Sicherheit gibt, als wenn das Land haftet. Und das tut es mit dem sogenannten Einredeverzicht gegenüber den Banken: Es gibt also eine Zahlungsgarantie seitens des Landes. Die Banken wissen also, im Gegensatz zur kritischen Bürgerinitiative, dass das Schulbaugeschäft weiterhin in staatlicher Hand abläuft – sonst würden wir diesen Kredit nicht bekommen.

Gut, man braucht also die Howoge. Dort soll sich ein Planungsabteilung von 15 Leuten um das Schulgeschäft kümmern. Werden diese 15 Leute tatsächlich den großen Gewinn an Effizienz bringen?

Der Gewinn liegt darin, dass Ausschreibungen schneller, weil unbürokratischer gehen. Die Howoge hat absoluten Spielraum in der Bezahlung, dass macht sie wettbewerbsfähiger bei der Konkurrenz um Fachkräfte. Und sie muss sich nicht an den Haushaltsrhythmus halten. Es hat schon einen Grund, warum Planungs- und Bauzeiten bisher zehn Jahre dauerten in Berlin. Zudem: Die Schulbauoffensive hat ein Volumen von 5,5 Milliarden Euro. Selbst wenn die Bezirke wollten, das können sie gar nicht allein verbauen. Auch nicht, wenn sie Personal einstellen, wie sie es ja bereits tun: Im Nachtragshaushalt gab es 50 Millionen Euro für Personal, künftig werden es 60, 70 Millionen Euro pro Jahr sein.

Die Gewerkschaft GEW macht sich Sorgen, dass es künftig Nutzungskonflikte bei den Schulgebäuden gibt, weil die Bezirke schließlich nur MieterInnen der Howoge sind. Eine berechtigte Sorge?

Das ganze Vertragskonzept basiert darauf, dass wir die Gebäude mieten für den Zweck Schule. Ohne Zustimmung von Bezirk und Schulgremien kann da keine andere Nutzung passieren. In Hamburg ist es passiert, dass in einigen Stadtteilen Schulräume leer standen. Da hat die Schulbau Hamburg, die ebenfalls als GmbH organisiert ist, gesagt, da kann doch zum Beispiel hier oder da noch ein Jugendtreff mit einziehen. So etwas kann ja sogar sinnvoll sein, aber nicht ohne Zustimmung der Schule.

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