Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Historisches Vorrundenaus, Schicksalsfrage für Merkel und das Berliner Mobilitätsgesetz: Willy Brandt jedenfalls wusste, was noch auf uns zukommt.

Merkel, die untere Gesichtshälfte verdeckt

Merkel malt den Teufel „Europa scheitert“ an die Wand, das lenkt ein wenig davon ab, dass sie selbst scheitert Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Merkel hat Zusagen von 14 Ländern, elf wissen davon auch schon.

Und was wird besser in dieser?

Forscher entdecken Abschaltautomatik bei Merkel.

Nach dem historischen Vorrundenaus der deutschen Mannschaft geht die WM anscheinend trotzdem weiter. Wird sie jetzt auch besser?

Die Star-getriebenen Teams sind raus, der Mannschaftsgeist obsiegt. Wer weder Zampano noch Teamspirit hat, taumelt im Supermarkt durch Schwarz-Rot-Ramsch-Angebote und staunt, wie unbeeindruckt Joachim Löw Schüco-Türen aufmacht. So sieht also das Vordringen zur tiefsten Hölle der Heldenreise aus: Jogi macht sich Frühstück und WM-Versager posieren für Mercedes unverdrossen „Best Never Rest“. Welcher Markenartikler kommt am schnellsten aus seiner Werbeschaltung heraus? Wer liefert einen frischen Spot mit Selbstironie? Spannend.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat in der Aussprache zur Regierungserklärung von Deutschland als unserem Vaterland und Europa als der Zukunft gesprochen. Lebt Dobrindt in der Vergangenheit?

Ja, und zwar genau am 30. Januar 1991, als Helmut Kohl im Deutschen Bundestag sagte: „Meine Damen und Herren, Deutschland ist unser Vaterland, Europa unsere Zukunft.“

Angela Merkel hat die Mi­gration zur Schicksalsfrage der EU erklärt. Ist die EU nicht vielmehr die Schicksalsfrage für die Migration?

„Die Regelung des Nord-Süd-Verhältnisses ist die Schicksalsfrage für den Rest des Jahrhunderts“ – weissagte Willy Brandt 1977. Dafür wurde er von Kalten Kriegern zwischen Ost und West als liebenswürdig ver­peilter Kirchentags-Gandalf belächelt. Die Handrei-chungen seiner „Nord-Süd-Kommission“ lesen sich heute teils überraschend frisch: Eine „Braindrain-Steuer“ sollten Industrienationen bezahlen, wenn sie armen Ländern die qualifiziertesten Studenten abzögen. Um dem willkürlichen Gehampel westlicher Haushälter bei der Entwicklungshilfe zu begegnen, „sollte man auch die Möglichkeit einer internationalen Steuer nicht ausschließen“. Das war flugs als schlimmer Sozialismus überführt, und das Jahrhundert ließ reichlich Schicksalsfrage für das nächste übrig.

Brandt warnte auch vor „armutsbedingten Völkerwanderungen“ und versuchte, das politische Personal in den Auswanderungsländern zu ertüchtigen. Wer Visionen hat, sollte Arzt werden. Heute doktert Europa an ein paar übersichtlichen Symptomen herum, die am großen Ganzen nichts ändern. Merkel malt den Teufel „Europa scheitert“ an die Wand, das lenkt ein wenig davon ab, dass Merkel scheitert. Jedenfalls die mit den offenen Armen, dem freundlichen Gesicht und dem DNA-Rest von Willy Brandt.

Die Regierungschefs der EU finden noch stärkeren Außengrenzschutz und Sammellager für Geflüchtete in Nordafrika eine gute Idee. Was tun?

Juncker und Merkel hausieren seit 2015 mit erbarmungswürdigen Zahlen Erbarmungswürdiger: 160.000 Flüchtlinge wollten sie auf freiwilliger Basis in Europa verteilen; sie scheiterten etwa an Ungarns Bann für nur 877 dieser Menschen. Nun hat die CSU Zeitpunkt und Frist erzwungen, zu denen die beiden nur noch unter weißer Fahne antreten konnten: Der neue Flüchtlingsdeal sieht vor, dass es keine mehr gibt. Das Spektakuläre an der Lösung ist die vollständige Abwesenheit einer Lösung. Und morgen wird wieder jemand fragen müssen: Wie will Europa mit den Menschen umgehen, die herkommen?

Beim Prozessauftakt gegen Deniz Yücel lehnte das Gericht in Istanbul einen Freispruch ab. Journalist Yücel will sich im Dezember vom Ausland aus per „Videoübertragung“ gegen die Terrorpropaganda-Vorwürfe verteidigen. Stoff für eine Netflix-Serie?

Das hat der türkische Richter wohl auch kapiert und den Video-Vorschlag von Yücels Anwalt abgelehnt: Er verlangt eine „schriftliche Aussage“ und will dazu deutsche Behörden um „Rechtshilfe“ bitten. Neue, interessante Frage: Wo verläuft die Grenze zur „Unrechtshilfe“?

Harley-Davidson will wegen des Handelsstreits zwischen den USA und der EU Teile der Produktion ins Ausland verlagern. Wer gewinnt im Duell Trump vs. Harley-Davidson?

Honda. „Gold Wing“ und so. War schon immer unamerikanisch.

Berlin hat jetzt ein Mobilitätsgesetz. Radfahren soll sicherer und der ÖPNV ausgebaut werden. Geht das schneller als der BER?

Auf dem Papier sehr gut. Nur fahren Sie mal auf einem Stück Papier Fahrrad. Immerhin findet der Berliner „Volksentscheid Fahrrad“ nun Nachahmung in zehn Großstädten und zwei Bundesländern. Der bisher übliche Brauch „Wollen wir für teuer Geld den Fahrbahnrand sanieren – oder kaufen wir einen Eimer Farbe und schreiben einfach Radweg dran?“ möge damit schwinden.

Und was machen die Borussen?

Ex-Trainer Bosz erklärt, mit einem 30-Mann-Kader habe er letztes Jahr nur scheitern können. Derzeitiger Kader: 31.

Fragen: Mbrs, Fsch

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.