DFB-Präsident Grindel: DFB, Desaster für Ballsport

Mit Reinhard Grindel steht ein Mann an der DFB-Spitze, der entscheidende Fehler gemacht hat. Wie soll da eine Erneuerung gelingen?

Reinhard Grindel, DFB-Präsident

Wirkt oft überfordert: DFB-Präsident Reinhard Grindel Foto: dpa

Schnell ist es gegangen. Der deutsche Fußball ist tief gefallen. Sportlich war die WM eine Katastrophe. Kommunikativ ist sie es immer noch. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, versucht mehr schlecht als recht zu erklären, was er, was Joachim Löw hätten besser machen können.

Er macht, was eine Führungskraft in diesem Zusammenhang nicht machen darf, er nennt einen Spieler und stempelt ihn zum Sündenbock. Später sagt er dann, das sei nicht ganz genau so gemeint gewesen, wie er es gesagt hat, aber irgendwie eben schon. Die Nationalmannschaft hat ein Führungsproblem.

Lösen müsste das der DFB. Doch dem seit 2016 amtierenden Präsidenten traut niemand eine Erneuerung des Verbands zu. Eher gibt es eine runderneuerte SPD als einen von Reinhard Grindel reformierten DFB. Grindel tut sich schwer, dem Verband eine Linie vorzugeben. Hatte sein Vorvorgänger Theo Zwanziger immer wieder auf die gesellschaftliche Verantwortung eines Verbands mit sieben Millionen Mitgliedern hingewiesen, konzentrierte sich dessen Nachfolger Wolfgang Niersbach auf das, was er das Kerngeschäft nannte, den Fußball – mithin das Prösterchen mit prominenten Kickern von einst und jetzt. Und Grindel?

Niemand weiß so recht, wofür er steht. Er möchte es allen recht machen und macht vielleicht genau deshalb so vieles falsch. Er möchte den deutschen Fußball wirtschaftlich weiterentwickeln, möchte ihm helfen, in China neue Märkte zu erobern, und holt zu diesem Zwecke eine chinesische Juniorennationalmannschaft nach Deutschland, auf dass diese in der Regionalliga mitspiele. Doch viele der Klubs wollten das gar nicht.

Und statt klarzustellen, dass es in Deutschland dazugehört, auch von der eigenen Meinung abweichende Äußerungen auszuhalten, sieht der Verband tatenlos zu, wie die Jugendauswahl von ihren Politkommissaren vom Platz geholt wird, weil ein paar Tibet-Aktivisten ihre Fahnen gezeigt haben. Der erste Teil des groß angekündigten China-Deals ging schon mal daneben.

„Tag der Kapitulation“

Stolz hatte Grindel die Hände der Bundeskanzlerin und des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping geschüttelt, als der Deal mit Regierungsflankierung damals vorgestellt worden ist. Doch schon ein paar Wochen später stellte sich heraus, dass die Schuhe dann doch zu groß waren, die sich Grindel bei der Exekution eines Staatsvertrags angezogen hatte.

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Als selbst ernannter Botschafter Deutschlands war er in diesem und im vergangenen Jahr auch in Russland unterwegs. Zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg und die von den Deutschen verübten Kriegsverbrechen legte er Kränze in Kasan, Wolgograd und Sotschi nieder. Und doch hat er es nicht geschafft, vom „Tag der Befreiung“ zu sprechen, als es um den 8. Mai 1945 ging, sondern bemühte den von vielen schon vergessenen Ausdruck „Tag der Kapitulation“. Ein Desaster.

Niemand muss sich also wundern, dass er es nicht geschafft hat, in der Affäre um die unsäglichen Fotos von İlkay Gündoğan und Mesut Özil mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan den richtigen Ton zu treffen. Schon in seiner ersten Bemerkung via Twitter legte er die Interpretation vor, die die Debatte bis heute vergiftet, indem er sagte, die beiden würden die Integrationsarbeit des DFB konterkarieren.

„Multi-Kulti-Vielfalt und No-Racism-Gedöns“

Seitdem tobt eine Debatte darüber, ob die beiden verdienten Nationalspieler integriert genug seien. Niemandem im DFB ist es gelungen, diese wieder einzufangen. Als längst klar war, dass die Pfiffe gegen Özil und Gündoğan nichts mehr mit Kritik am türkischen Präsidenten zu tun hatten, tat der DFB immer noch nichts.

Und nach Bierhoffs Einlassungen zu Özil rückte nun auch Grindel via Kicker-Interview öffentlich von Özil ab: Für ihn sei „völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte“. Fehler aufseiten des DFB räumte Grindel keine ein.

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Dabei wäre es so wichtig, in Sachen Diskriminierung und Rassismus für Klarheit zu sorgen. Dass der Sport eine integrative Wirkung hat, mögen zwar Funktionäre immer wieder behaupten, die große Zahl von Vereinen, in denen sich Menschen mit dem gleichen Migrationshintergrund organisieren, spricht aber nicht unbedingt dafür, dass alle in jedem Verein willkommen sind. Hier gibt es viel Arbeit. Das wissen auch die Amateurschiedsrichter, denen es vor gewissen Spielen zwischen Mannschaften, die verschiedene Ethnien repräsentieren, regelrecht graut.

Viele Ehrenamtler in den Landesverbänden stellen sich dieser Herausforderung. Ihnen sollte zugehört werden und nicht jenem Mitglied des vom DFB seit je hofierten Vereins „Freunde der Nationalmannschaft“, der in einem offenen Brief an den Verband über „Multi-Kulti-Vielfalt und No-Racism-Gedöns“ lästert. Der Brief hat auch durch den MDR, der ihn auf seiner Website gepostet hat, so große Verbreitung gefunden, dass er längst nach einer Erwiderung verlangt.

Vom großen Geld kommt zu wenig unten an

Doch statt sich darum zu kümmern, dass der DFB wirklich integrative Kraft entwickelt, pöbelt Grindel via Twitter den Münchner Merkur an und beschwert sich über dessen Berichterstattung zum WM-Aus des deutschen Schiedsrichters Felix Brych. Dass der Merkur in seiner Berichterstattung nur wiedergegeben hat, was schon in der Bild-Zeitung stand, und dennoch allein den Anschiss kassiert hat, ist bemerkenswert.

Wundern wird sich darüber aber nicht, wer weiß, dass Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann Grindels Social-Media-Berater ist. Und Bild konnte exklusiv verkünden, dass Joachim Löw Bundestrainer bleiben will. Auch das passt hier ganz gut ins Bild. Grindel wirkt wirklich nicht so, als hätte er das Heft des Handelns noch selbst in der Hand.

Ihm geht es nun in erster Linie darum, die Fußball-EM 2024 nach Deutschland zu holen. Über all den Werbekampagnen für die Uefa-Entscheidung am 25. September hat er das Auseinanderfallen seines Verbands riskiert. Die Geldflüsse zwischen der brummenden Liga, der mit Sponsorenverträgen gut ausgestatteten Nationalmannschaft und den Amateurvereinen, die oft nicht in der Lage sind, ihren Übungsleitern die steuerfreie Pauschale von 200 Euro im Monat zu zahlen, werden ein Streitpunkt bleiben. Vom großen Geld kommt zu wenig unten an. Von der beschworenen Einheit von Profi- und Amateursport ist derzeit nicht viel zu spüren.

Es gibt viel zu tun im DFB – und es ist fast schon eine Gewissheit: Niemand packt’s an.

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