Nazi-Dorf Jamel: Anti-Rechts-Konzert in Gefahr

Ein Ehepaar macht sich seit Jahren stark gegen Rechts – auch mit dem Festival im Sommer. Jetzt wurde die Wiese dafür verpachtet – an Rechte.

Auf einer Wiese blüht gelber Löwenzahn, dahinter steht auf einer braun-roten Scheunenwand in schwarzen, runenartigen Buchstaben: Dorfgemeinschaft Jamel - frei sozial national

Die Rechtsextremen aus Jamel dürfte der Pachtvertrag freuen Foto: Karsten Thielker

HAMBURG taz | Ganz Jamel ist in Besitz von Rechtsextremen? Nein! Der alte Forsthof ist eine Enklave: Birgit und Horst Lohmeyer wohnen dort, und seit Jahren richten sie dort, in dem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, das Open-Air-Festival „Jamel rockt den Förster“ für Demokratie und gegen Rechtsextremismus aus. Kraftklub, Madsen, Die Toten Hosen und Die Ärzte traten unlängst direkt neben den rechten Anwohnern auf.

Doch das Festival zu organisieren, wird jetzt schwieriger. Die Gemeinde Gägelow hat einem rechten Ehepaar eine dafür zentrale Wiese verpachtet. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle engagierten Bürger in diesem Land“, sagt Birgit Lohmeyer. Und Horst Lohmeyer schiebt nach: „Mit diesen Flächenüberlassungen wird eine nicht unerhebliche Stärkung der völkisch-nationalen Siedlungsbewegung durch die Mitglieder der Gägelower Gemeindevertretung forciert“.

In dem kleinen Dorf mit rund 40 Anwohnern, in das nur eine Straße hineinführt, leben mehrere Rechtsextreme, sie richten immer wieder auch Brauchtumsfeiern aus. Das Motto der Szene um den mehrfach vorbestraften Rechtsextremen Sven Krüger: Die „Dorfgemeinschaft Jamel“ lebt. Erst am Wochenende veranstalteten sie eine Sommersonnenwende. In der Mitte des Dorfes begann das Fest mit einem Kinderprogramm. Eine Hüpfburg und Strohballen standen zum Toben bereit, eine Pferdekutsche zum Umherfahren. An die 200 Rechte waren mit ihren Kindern gekommen. Unter den Gästen waren auch die NPD-Kader Stefan Köster, Michael Grewe und Torgai Klingebiel.

Die Verpachtung des Dorfplatzes an das rechte Ehepaar behinderte denn auch prompt die Polizeiarbeit. In der Vergangenheit stellte die Polizei auf dem Flurstück ihre Einsatzkräfte bereit oder parkte ihre Fahrzeuge. Das war nun nicht mehr möglich. „Die Verpachtung der zentralen Wiese erschwert uns den Polizeieinsatz erheblich“, sagte Wismars Polizeirevierleiter Andreas Walus. Die Beamten würden von der Veranstaltung weggedrängt und könnten dort nicht mehr so präsent sein, wie es nötig wäre.

„Ein riesiger Skandal“

Schon Ende Februar hatte der Hauptausschuss von Gägelow den Gesinnungsfreunden von Krüger das Flurstück von 3.700 Quadratmetern für einen Jahrespachtzins von 65 Euro überlassen. Wie brisant das ist, scheint der Gemeindevertretung indes bewusst gewesen zu sein: Im Pachtvertrag ist eine Klausel, die festhält, dass die Wiese den Lohmeyers für das Festival überlassen werden muss. „Glauben die Politiker wirklich, das sich an den Vertrag gehalten wird, einen Monat vor und nach dem Festival die Fläche zur Verfügung zu stellen“, fragen die Lohmeyers. Die rechte Szene erklärt seit Jahren, das sie dieses Event nicht in – in ihren Augen „ihrem“ – Dorf haben will, hebt das Paar hervor, das 2004 aus Hamburg hierher gezogen ist.

„Ein riesiger Skandal“, sagt Birgit Lohmeyer, der sich aber „in die besorgniserregende Entwicklung in unserer Gemeinde einbettet.“ Denn seit 2015 schon hätte die Gemeinde Flächen in Jamel an hiesige Rechten verpachtet oder verkauft, so Horst Lohmeyer.

In den vergangenen Jahren beschäftigte sich auch der mecklenburgische Landtag mit dem Dorf. 2007 schaute sich eine Delegation das Geschehen vor Ort an. Von einer „Gesamtstrategie gegen Rechts“ die folgen sollte, haben die Lohmeyer „nichts groß bemerkt“. Das Verhalten der Gemeinde spiegele von dieser Strategie bis heute nicht viel wieder, so das Paar, dessen Scheune 2015 von Unbekannten angezündet worden war. Kurz vor dem Festival war sie damals abgebrannt.

Im Hauptausschuss der Gemeinde sitzen auch Simone Oldenburg, Vorsitzende der Landtagfraktion der Linken, und Gägelows Bürgermeister Uwe Wandel. Oldenburg kann sich an die Abstimmung über die Verpachtung nicht mehr so genau erinnern, weiß aber, sich enthalten zu haben. Sie verspricht nun, sich stark zu machen für die Rücknahme des Pachtvertrags.

Wandel erklärte indes der Ostsee-Zeitung, er wolle sich erst äußern, wenn er wisse, wer der Presse die Informationen gegeben habe. „Die politische Dimension dieser Vorgänge wird anscheinend, entgegen deren Aussage, von den Gemeindevertretern völlig verkannt und das Bestreben der demokratischen Kräfte dadurch konterkariert“, sagt Horst Lohmeyer. Dass die Auflösung des Pachtvertrags schnell geht, glauben Lohmeyers nicht. Sie zweifeln auch daran, ob die Gemeinde das „wirklich will“.

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