Easy Listening vom Feinsten: The Nobel Easy

Der 90-jährige Burt Bacharach verzaubert mit seiner Show im Admiralspalast. Er wird gleich mit Standing Ovations begrüßt.

Zeichnung, zeigt einen Mann am Flügel

Burt Bacharach am Flügel Foto: Illustration von Imke Staats

Easy-Listening bezeichnet Unterhaltungsmusik, Klänge der 50er bis 70er Jahre, die etwa laut Wikipedia der Zerstreuung, Ablenkung, Entspannung, Deeskalation, Stimmungsaufhellung, aber auch der Motivation dienen, aber nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollten. Musik zum Nebenbeihören.

Doch im Easy-Listening gibt es Unterschiede – eine Divergenz zwischen spaßigem und ernsterem Easy, quasi Easy-U- und Easy-E-Musik. Das merkt man, wenn man sich zum ersten und einzigen deutschen Konzert des King of Easy von Hamburg nach Berlin aufmacht. In Hamburg findet nämlich am gleichen Tag der etablierte Schlagermove statt, ein Treffen vieler farbenfroh kostümierter Menschen zwischen 30 und 70 aus ganz Deutschland, die zur Sorte Easy-U, dem Schlager, Hossa singend durch die Stadt laufen.

Ganz anders der Gig des großen Burt Bacharach im prachtvollen Berliner Admiralspalast. Auch hier sind Menschen der selben Altersspanne aus ganz Deutschland versammelt. Sie sind originell bis elegant gekleidet, offenbar finden Mods das Ereignis interessant. Ich erkenne einige Berufsmusiker im Publikum. Bevor die Musik zum Nebenbei-Hören im Mittelpunkt steht, müssen alle bei Nebenbei-Musik, die nach Whitney Housten klingt, warten.

Anzug, Sneakers und keine Krawatte

Diese verstummt mit etwas Verzug, als die acht Musiker Platz genommen haben, knapp bevor der weißhaarige Bacharach winkend die Bühne betritt. Sofort wird er mit Standing Ovations begrüßt. Er ist seit zwei Monaten 90, trägt Anzug und Sneakers, keine Krawatte und wirkt sportlich, doch am Piano sitzend sackt er zu einer kleinen Person zusammen. Nur körperlich. Der amerikanische Komponist von Evergreens wie „Raindrops“, „I say a little prayer “ oder „The Look of Love“ ist der größte lebende Star seines Genres.

Seine Stücke sind von unterschiedlichsten Musikern interpretiert worden, darum kennen Fans der Stranglers auch „Walk on by“ oder der White Stripes „I just don’t know what to do with myself“. Der Mann ist eine Legende, und heute in Berlin, wo er in den 1960ern praktisch seine Karriere begann, als Komponist und Bandleader von Marlene Dietrich. Davon erzählt er auch gleich, nachdem er mit „What the world needs now“ eröffnet hat: „A long time ago …“ – er und Marlene wohnten im Hilton Hotel.

Und dann schwenkt er zu Hal David, seinem 2012 verstorbenen Songwriter, mit dem zusammen und der Sängerin Dionne Warwick (übrigens eine Kusine von Whitney Houston) er Hit um Hit landete. Der erste folgt gleich: „Don’t make me over“ – textlich basierend auf Worten einer wütenden Warwick. Darauf folgt ein Medley der großen Warwick-Songs.

Seine elegante Drehung des rechten Arms

Die SängerInnen Josie James, Donna Taylor und John Pagano geben heute Abend vielen Liedern ihre Stimmen. James klingt eher hell und kräftig, Taylor dunkel. Pagano beherrscht alles perfekt – und leitet Passagen oft durch ein schmalziges Gurren ein, wodurch sie schnell musicalhaft anmuten. Geschmackssache.

Wenn sie solo singen, treten gewandt sie zu Bacharach an’s Piano heran, wie zu einer Huldigung. Stücke beendet er mit einer eleganten Drehung es rechten Arms. Oft tritt er an den Bühnenrand und erzählt, lässig angelehnt, mit heiserer Stimme von Wegbegleitern oder leitet mit Anekdoten zu den Stücken über.

Es geht etwa darum, wie man eine Scheidung bewältigen kann. (Er war viermal verheiratet). Mit der Übergabe einer akustischen Gitarre an John Pagano rundet er seine Ansage ab und leitet die „Mexican Divorce“ ein. Hier lässt er auch ganz kurz ahnen, daß er kein Trump-Anhänger ist.

Der Abend ist durchgeplant bis zum Abschiedslied

Einige Stücke singt er ganz allein, mit heiser-brüchiger Stimme. So das brandneue „Blanket Capes“. Das ist sehr anrührend. Während er das Vertrauen in die Beziehung beschwört „We can make miracles, it’s up to us now…“ kommt ein junger Mann an’s Keyboard: sein Sohn Oliver, und stimmt in „24 hours from Tulsa“ ein. Papa ist stolz. Der Abend ist durchgeplant, nur so können noch weitere Histörchen und Evergreens geschafft werden, auch ein Bündel Filmhits.

Nach „Alfie“ versichert er, auch diesmal eine gute Zeit in Berlin gehabt zu haben: „Maybe I come back“. Zum Schluss gibt’s „Friends“. Das Publikum swingt mit, tritt auch manchmal Flaschen und Gläser um, und am Ende bedankt sich der große Mann und schlägt vor, mit allen „Raindrops“ zu singen und dann zu gehen. Die bezaubernde Idee nehmen die Fans gern an, stehen auf und machen textsicher mit.

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