Kate-Bush-Flashmob in Kreuzberg: Der Görli ganz in Rot

Sturmhöhe im Görlitzer Park: Fans, Nostalgiker und Tanzbegeisterte feierten dort am Samstag Kate Bushs Hit von 1978, „Wuthering Heights“

Samstag im Görli: Kate-Bush-FreundInnen Foto: Joanna Kosowska

Rot gewandete Menschen verrenken sich, strecken die Arme aus, vollführen bizarre Bewegungen. Sind die alle auf Droge? Oder stellt sich mitten im Görlitzer Park eine Sekte vor?

Nein: Was hier gerade an einem wunderschönen Samstagnachmittag begangen wird, ist der „Most Wuthering Heights Day Ever“, und die Menschen in Rot sind alle als die englische Popsängerin Kate Bush verkleidet. Die hatte 1978 mit ihrem Song „Wuthering Heights“ einen riesigen Hit, und in dem Videoclip dazu sieht man die damals 18-Jährige, wie sie sich ganz in Rot auf einer Wiese durch ihr Lied trällert und tanzt. Genau dieses Video wird heute am „Most Wu­thering Heights Day Ever“ in Berlin und vielen anderen Städten auf der Welt gemeinsam nachgestellt.

„Ciao Bella!“

Um die 130 Kate Bushs haben sich im Görlitzer Park eingefunden. Die meisten nehmen es mit dem Dresscode ziemlich genau: rotes Kleid, rote Strümpfe und eine Rose im Haar. Genau wie Kate Bush in ihrem Clip. Cornelia Fleck, die mit ihrer Freundin gekommen ist, sagt, sie habe sich gerade noch in einem Café ums Eck aus Krepppapier die Blume gebastelt, und nun werden ihr von einer weiteren Freundin sogar noch ein Paar echte Kate-Bush-Strümpfe gereicht, die sie sich schnell anzieht. Mit diesem „Wuthering Heights“-Look sei ihr auf dem Weg vom Café hierher so oft „Ciao Bella!“ nachgerufen worden wie schon lange nicht mehr.

Es ist 14 Uhr, und wir befinden uns noch mitten bei den Proben. Um 15 Uhr wird auf Radio Flux FM extra für die Kate Bushs im Görlitzer Park ihr Song gespielt werden. Bis dahin sollte die Choreografie wenigstens einigermaßen sitzen.

Die Vortänzerin versucht die kuriosen Tanzbewegungen aus Kate Bushs Originalvideo zu beschreiben. „Jetzt bewegen wie beim Schlittschuhlaufen“, sagt sie, oder: „Nun die Arme nach vorne, als ob ihr ein Fenster öffnen würdet.“ Alle folgen ihren Anweisungen, haben sichtbar Spaß, sind aber auch konzentriert bei der Sache – ganz einfach ist der Tanz schließlich nicht.

Warum aber überhaupt Kate Bush? Warum „Wuthering Heights“, ein sehr spezieller Popsong, bis heute unvergessen, aber sicherlich kein Gassenhauer wie ein Hit von Michael Jackson oder Abba?

Textzeile aus Kate Bushs 1978er Hit „Wuthering Heights“

„I’m coming back, love“

Es ist wohl so, dass hier ein Beleg der sprichwörtlichen britischen Exzentrik seinen Weg auch ins polyglotte Berlin gefunden hat. 2013 stellte in der englischen Küstenstadt Brighton erstmals eine Gruppe von 300 Leuten den „Wu­the­ring Heights“-Clip nach. Einfach so aus Spaß und weil man einen Weltrekord aufstellen wollte mit den meisten Kate Bushs, die sich jemals gemeinsam an einem Ort aufhielten. Drei Jahre später wurde daraus der „Most Wuthering Heights Day Ever“, der sich vor allem in Australien großer Beliebtheit erfreut.

„Tanztherapie“

Cornelia Fleck sagt, sie finde die Veranstaltung einfach lustig. „Es ist irgendetwas zwischen Tanztherapie und einem Happening der Osho-Sekte“, sagt sie. Kate Bush finde sie natürlich auch toll und „schon sehr speziell, irgendwo zwischen Pop und Kunst“. Auch Blán Ryan ist Kate-Bush-Fan, wie sie sagt. Doch die Irin, die seit beinahe 30 Jahren in Berlin lebt, ist nicht als Kate-Bush-Lookalike in den Görlitzer Park gekommen, sondern nur als Zuschauerin.

Was vielleicht auch daran liegt, dass sie, obwohl sie Fan ist, doch auch ein etwas ambivalentes Verhältnis zu der englischen Popexzentrikerin mit der berühmten Kieksstimme habe. „Kate Bush soll inzwischen die Tories wählen“, weiß sie zu berichten, und das, so macht sie klar, gehe gar nicht für sie. Aber dieses Kate-Bush-Happening hier finde sie trotzdem großartig. „Kate Bush war 18 Jahre alt, als sie damals den Song performte. Aber hier machen Leute jeden Alters mit, es ist ein bunt gemischter Haufen, der sich eingefunden hat, das gefällt mir.“

Und tatsächlich sind die meisten der Kate Bushs im Park zwar Frauen, es haben sich aber auch ein paar Männer etwas Rotes übergeworfen. Und es gibt Kate Bushs wie Michaela Clark, die gemeinsam mit ihrer 12-jährigen Tochter Aaliyah gekommen ist. Für die Mutter ist das hier „eine Erinnerung an die Jugend“, während die Tochter klarmacht, dass sie Kate Bush kaum kennt, dafür tanze sie „aber einfach gerne.“ Spricht’s und verschwindet schon wieder in der Gruppe der anderen Kate Bushs, die jetzt gerade bei der Generalprobe angekommen ist.

Schlittschuh laufen! Fenster öffnen!

Um 15 Uhr kommen auf Flux FM erst mal die Nachrichten, dann begeben sich sämtliche Kate Bushs auf die Knie, ganz wie die echte Kate Bush zu Beginn ihres Videos. Gebanntes Warten, große Spannung, doch aus dem Radio plärrt irgendein Popsong. Man nimmt’s mit Humor, tanzt zu dem Stück mit den eben gelernten Kate-Bush-Bewegungen und begibt sich danach erneut in Startposition. Der langhaarige Dude im roten Bademantel und der pinken aufblasbaren Gitarre im Vordergrund hat schon grasgrüne Knie vom ständigen Hinknien.

Dann endlich: „Wuthering Heights“. Schlittschuhlaufen! Fenster öffnen! Es klappt super.

Kate Bush selbst macht sich seit Jahren rar und gibt kaum noch Interviews. Sie soll jedoch, so hört man, dem „Most Wuthering Heights Day Ever“ ihren Segen gegeben haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.