Die Wahrheit: Danke für die Bodenschwellen

Wenn sich Werkstätten freuen und Autofahrer auf Rache sinnen, stecken meist „verkehrsberuhigende Maßnahmen“ dahinter.

Auf Dublins Straßen liegt nicht nur Müll herum. Neulich fand ein Fußgänger eine Maschinenpistole der Marke Heckler & Koch samt Munition. Er trug den Fund zum nächsten Polizeirevier. Den Beamten war die Sache ziemlich peinlich, denn die Maschinenpistole gehörte ihnen. Sie war bei einem Einsatz gegen das organisierte Verbrechen aus dem Kofferraum gefallen, als das Polizeiauto über eine künstliche Bodenschwelle fuhr.

Justizminister Charlie Flanagan findet die Sache „zutiefst beunruhigend“. Dazu hat er allen Grund, denn die Leute, die der Polizeiwagen verfolgt hatte, wären zutiefst beglückt gewesen, wäre ihnen die Waffe, die fast tausend Schuss pro Minute abfeuern kann, in die Hände gefallen.

Dass sie aus dem Auto fiel, ist nicht überraschend. Dublin ist die Stadt der Bodenschwellen, nirgendwo sonst gibt es so viele – und in so vielen Varianten. Manchmal sind es nur Betonhubbel in der Mitte der Fahrbahn, sodass man sie zwischen die Räder nehmen kann, ohne die Geschwindigkeit zu drosseln. Andere sind sanfte Hügel, über die man hinweggleiten kann. Aber es gibt auch brutale Exemplare, die wie Treppenstufen angelegt sind. Ignoriert man sie, muss man sich eine neue Achse besorgen. Beim Staatsbesuch des damaligen US-Präsidenten Barack Obama strandete seine Limousine auf einer solchen Brutaloschwelle vor der US-Botschaft.

80 Prozent Stoßdämpfer

Bisweilen warnt das Schild vor den Dingern auf Irisch: Rampaí. Früher mussten Staatsbeamte die Sprache können, aber diese Einstellungsbedingung wurde abgeschafft. Vielleicht haben die Polizisten deshalb ihre Maschinenpistole verloren?

Bodenschwellen dienen angeblich der Verkehrsberuhigung. Die Stadtverwaltung behauptet, es gebe eindeutige Kriterien. Die Hindernisse werden an Stellen angebracht, an denen ein schwerer Unfall passiert ist, zum Beispiel im Stadtteil Blanchardstown, wo ein 24-Jähriger mit seinem Motorrad tödlich verunglückt ist. Manch Autofahrer nimmt ihm das heute noch übel. An der Unfallstelle hängen Plakate, die nicht gerade von Mitgefühl zeugen: „Hoffentlich bist du unter furchtbaren Schmerzen gestorben, du Arschloch. Danke für die Bodenschwellen.“

Sie werden auch angelegt, wenn mehr als 15 Prozent der Autofahrer zu schnell fahren oder die Anwohner es verlangen. Was aber, wenn die Anwohner Werkstattbesitzer sind? Ein Automechaniker erzählte, dass die Erneuerung von Stoßdämpfern rund 80 Prozent seiner Arbeit ausmache. Die gemeinsten Bodenschwellen richten Schaden an Reifen an und manchmal auch am Kofferraum.

Ich stehe schon seit Tagen an einer der schlimmsten Bodenschwellen in Nord-Dublin. Täglich kommen mindestens 30 Polizeiautos vorbei. Aber ich habe bisher nicht mal einen Gummiknüppel gefunden.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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