Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Über Karl-Heinz Rummenigges Blitzanalyse, Theresa Mays Rosinenpickerei und Mark Zuckerbergs Meinungsfreiheit zu Holocaust-Leugnungen.

Theresa May hält sich die Hand an die Stirn, um nicht geblendet zu werden

Premierministerin Theresa May fährt auf Sicht Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: In Bayern liegt die CSU bei 38 Prozent, hingegen die Grünen bei 16 Prozent.

Und was wird besser in dieser?

Nein, wir addieren diese Zahlen nicht.

Frankreich und Kroatien haben sich wieder abgeregt. Was bleibt von dieser WM?

Bayern-Präsident Rummenigges Blitzanalyse, der DFB sei „eigentlich nur noch durchsetzt mit Amateuren … da haben Amateure komplett das Geschehen übernommen“. Das ist fein beobachtet, etwa so, als habe er herausgefunden, dass es beim ADAC viele Autofahrer gibt. Der DFB, mit 7 Millionen Mitgliedern der größte Sportfachverband der Welt, könnte eine Breitensportorganisation sein, wenn nicht Unterhaltungskonzerne wie der FC Bayern Talente, Sponsoren, Spieltermine und Fans absaugten. Aus Mitgliedsbeiträgen der DFB-Amateure strich Bayern München rund 2,5 Mil­lio­nen Euro „Abstellungsgebühr“ ein für die Zeit, die Bayernspieler bei der WM versagten. Wer acht Spieler in einer Elf hat, die komplett implodiert, sollte anderen schlechte Krisenbewältigung vorwerfen und ein paar interessante Schuldige anprangern.

US-Präsident Trump sieht erst „keinen Grund dafür, dass Russland Wahlen in den USA beeinflussen sollte“. 24 Stunden später dementierte er – doppelte Verneinung sei halt tricky. Dann antwortet er auf die Frage, ob Russland die USA weiter im Visier habe, mit „nein“. Wenig später noch ’n Dementi. Ist Verwirrung die beste Verteidigung?

„I said … I should have said“ – das wichtigste Wort dieser Sentenz bleibt: „I“. Gönnt man sich die Travestie, den Vorgang als Auftritt eines Schauspielers zu lesen, hat er beide Male seine Kernbotschaft doch überbracht: Ich. Der Großmime hat stattgefunden, es gibt da ein paar Marginalien vom pedantischen Dramaturgen, die spult er runter, doch für Trumps Kundschaft genügt: „I“.

Die Netflix-Aktie enttäuscht. Sind wir serienübersättigt?

Sucht man „Netflix Aktie Kauf“ – landet man bei „Börse ARD“, wo vor dem „fallenden Messer“ gewarnt wird, in das man nicht greifen möge. Doch auch: Hier könnten risikobereite Anleger einen Einstieg wagen. Ich erwarte nicht, dass umgekehrt Netflix der ARD eine so redliche Prognose stellen würde. Die Aktie hat seit Jahresbeginn 108 Prozent zugelegt und nimmt jetzt einen Dämpfer hin, weil die Voraussagen zu euphorisch waren.

Mark Zuckerberg findet, wer auf seinem Netzwerk den Holocaust leugnet, wisse es vielleicht nicht besser. Entsprechende Posts zu löschen, sei eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Weiß Zuckerberg es nicht besser?

Natürlich dürfte man bei Face­book posten, die Erde sei eine Scheibe oder Zuckerberg kein Jude. Das wäre keine Meinung, sondern Nichtwissen. Zuckerberg beansprucht jedoch nicht das Recht auf Nichtwissen, sondern bezieht sich auf die Meinungsfreiheit. Die findet ihre Grenzen da, wo die Behauptung auf Weiterungen zielt, andere verletzt, verächtlich macht, zu verletzendem Handeln aufruft. Deshalb löscht Facebook Holocaust-Leugnung in Deutschland, Österreich, den Niederlanden. Nach seiner Hymne auf die europäische Datenschutzgrundverordnung bettelt Zuckerberg hier erneut um ein öffentlich-rechtliches soziales Netzwerk aus Europa.

Schweden kämpft mit Waldbränden, Japan leidet unter einer Hitzewelle. Werden wir den Klimawandel noch eindämmen – oder ist der unser Erbe für die Nachgeborenen?

Nach der Lehre Darwins scheint der Mensch das erste Wesen, das sich nicht der Umwelt anpasst, sondern die Umwelt an ihn. Heizung, Klima, Mobilität, Ackerbau, Viehzucht, Medizin. Darauf reagiert die Natur – mit der Auswahl, uns den Veränderungen anzupassen, die wir selbst herbeigeführt haben. Oder mit dem Verändern aufzuhören. Pfiffige Antwort des Homo sapiens: Tja, können wir beides nicht.

Haben Sie noch den Überblick, wo wir gerade beim Brexit stehen?

Der EU sagt Theresa Mays „Rosinenpickerei“ nicht zu, Mays Kritiker im Königreich lehnen ihre Kompromisse, etwa die Freihandelszone, ab. Für den Austritt im März ’19 sollen die Verhandlungen bis Oktober ’18 abgeschlossen sein. Theoretisch gäbe es die Option einer Fristverlängerung, die jedoch May final blamieren würde. Okay, der „harte Brexit“ war schon unwahrscheinlicher.

Und was machen die Borussen?

Im neuen Kader mit Reus ein gebürtiger Dortmunder und Götze einer, der in Jugendmannschaften hier spielte. Im internationalen Vergleich hochromantischer Wert.

Fragen: lgu, AW, afro

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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