Sprecherin der Mütter von Srebrenica: Hatidza Mehmedović gestorben

Hatidza Mehmedović war eine Ikone der Zivilgesellschaft in Bosnien und Herzegowina. Ihr Leid führte sie in den politischen Kampf gegen das Vergessen.

Eine Frau sitzt inmitten eines vollen Konferenzraums und spricht in Mikrofone

Hatidza Mehmedovic hat die Organisation der „Mütter von Srebrenica“ gegründet Foto: imago/Xinhua

Am Mittwoch wird Hatidza Mehmedovic, die Sprecherin der Mütter von Srebrenica, in ihrer Heimatstadt beerdigt werden. Tausende von Menschen werden zu ihrer Beerdigung kommen. Sie ist nach langen Monaten eines schmerzhaften Krebsleidens mit 65 Jahren in Sarajevo gestorben. Hatidza Mehmedović ist wegen ihrer menschlichen Haltung zu einer Ikone der Zivilgesellschaft in Bosnien und Herzegowina geworden.

Als wir im Sommer vor vier Jahren das letzte Mal in ihrem Garten saßen und von ihrem süßen Obstsaft tranken, schweifte mein Blick immer wieder über die drei schon kräftigen Tannen, die inmitten der Wiese vor ihrem Haus aufragen. Es sind die Bäume, die ihre Söhne kurz vor der Katastrophe gepflanzt hatten. Es sind die Pflanzen, die ihr von ihren Söhnen und ihrem Mann geblieben sind.

Ihr Mann Abdullah, die beiden Söhne Almir und Azmir, damals 16 und 17 Jahre alt, einige Onkel und Dutzende von Männern aus ihrer weiteren Verwandtschaft wurden damals, im Juli 1995, ein paar Kilometer weiter, in Potocari, von serbischen Soldaten von den Frauen getrennt. Was dann unten den Augen der UN-Soldaten geschah, wird als das „größte Kriegsverbrechen in Europa“ nach dem Zweiten Weltkrieg angesehen. Die Männer wurden auf Befehl des serbisch-bosnischen Generals Ratko Mladić gejagt und Gefangene regelrecht abgeschlachtet.

Wir gingen hinunter zum Gräberfeld, das seit 2006 nach einem Erlass des Bosnien-Beauftragten Christian Schwarz-Schilling unter dem Schutz des Gesamtstaates und nicht der Republika Srpska steht. Mehmedović hat die Geschichte ihres Leidens in die Geschichte eines politischen Kampfes gewendet. Und die Organisation der „Mütter von Srebrenica“ gegründet. „Sie haben uns Bosniaken ermordet und weggetrieben und haben dafür zum Lohn noch die Hälfte des Landes zugesprochen bekommen. Wir Frauen von Srebrenica kämpfen aber für Gerechtigkeit. Und gegen das Vergessen.“ Das Gräberfeld umfasste damals schon fast 6.000 Personen. Nur wer eindeutig identifiziert ist, wird hier in Potocari begraben, am Ende werden es über 8.000 sein.

2007 wurden die Überreste eines Sohnes und ihres Mannes durch DNA Analysen identifiziert, dann 2010 auch der zweite Sohn. Dann konnten sie begraben werden. Seither liegen sie in dem Grab nur eine paar Schritte vom Eingang der Gedenkstätte entfernt. Wir standen ruhig vor den langen Reihen der Stelen. „Hast du nie an Rache gedacht?“ „Hätte ich die, würde ich meine Seele vergiften.“ Es sei von Seiten der Bosniaken zu keinem Revanche-Mord gekommen, betonte sie. Aber sie wünschte sich die Verurteilung aller Schuldigen und vor allem, dass die serbische Gesellschaft endlich zugibt, was geschehen ist.

Immerhin konnte Mehmedović noch erleben, dass Ratko Mladić, der ehemals allmächtige General über Leben und Tod, 2017 unter anderem wegen Völkermordes zur Höchststrafe lebenslänglich verurteilt worden ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.