Spekulation in Kreuzberg

Ein Geflecht aus Immobilienfirmen erwarb Häuser, um die Wohnungen in Eigentum umzuwandeln. Nun wird verkauft – und einige Mieter hoffen

Von Erik Peter

Die Deutsche Wohnen, Berlins größter privater Vermieter, schlägt wieder zu. Zusammen mit dem ebenfalls börsennotierten Immobilienunternehmen Accentro übernimmt sie Anteile an 26 Häusern mit mehr als 500 Wohnungen, überwiegend in Kreuzberg. Für die Mieter bedeuten solcherlei Nachrichten für gewöhnlich nichts Gutes; diesmal jedoch weckt die Nachricht bei einigen Hoffnung.

Das hat vor allem mit den Vorbesitzern der Häuser zu tun, BOW II und BOW III, zwei Firmen aus einem Geflecht, das sich AWL-Immobilien nennt und in Berlin bislang mehr als 40 Häuser sein Eigen nennen konnte. Die Eigentümer dahinter, Andreas, Ludmilla und Walter Bahe, Sohn, Mutter und Vater – kein nahbares Familienunternehmen, sondern berüchtigt für ihr Geschäftsmodell: Häuser kaufen, aufteilen in Eigentumswohnungen und diese einzeln weiterverkaufen. Um möglichst schnell zum Ziel zu kommen, werden Bestandsmieter für Nichtigkeiten abgemahnt und lässt man die Häuser je nach Bedarf teuer sanieren oder verfallen.

Wie spekulativ dabei vorgegangen wird, zeigt der Fall der Reichenberger Straße 55, ein renovierungsbedürftiger Bau mit 21 Wohnungen und einer Kita, von der BOW III 2016 für 3,35 Millionen Euro erworben. Bei jährlichen Mieteinnahmen von 75.000 würden ganze 45 Jahre vergehen, in denen sich das Haus keine Rendite abwirft. „Warum zahlt jemand so viel Geld dafür?“, fragten sich die Mieter wie Patrick Neumann nach dem Kauf. „Dann haben wir gelernt, was das Spekulationselement ist: Entmietung“, so der Texter, der mit seinen Nachbarn einen Hausverein gegründet hat.

Hebel durch Milieuschutz

Die Reichenberger 55 hat dabei noch Glück gehabt. Während die Bahes andere Häuser vor allem 2014 und 2015 ohne Bedingungen angekauft haben und dort der Prozess der Umwandlung und Entmietung in vollem Gange ist, warf sich der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beim Kauf dieses Gebäudes 2016 dazwischen. Der neue Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) zwang dem Käufer seine erste Abwendungsvereinbarung auf. Um dem bezirklichen Vorkaufsrecht zu entgehen unterschrieb BOW III den Vertrag, der die Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieter verbietet. In dem Haus ist seither nichts passiert. Weitere Häuser erwarben AWL-Firmen nicht mehr. Für Neumann steht fest: „Das Vorkaufsrecht funktioniert.“

Der jetzige Verkauf von 26 Häusern, bei denen die Umwandlung überwiegend im Gange ist, könnte zwei Gründe haben. Einerseits der öffentliche Druck, den die Mieter auch mit Unterstützung der Initiative Bizim Kiez auf das Firmengeflecht aufgebaut haben. Andererseits, so die Vermutung, könnte der Druck auf die Sparkasse Rottal-Inn zu groß werden, die bislang trotz ihres Gemeinwohlauftrags die unseriösen Geschäftspraktiken der Familie finanzierte.

Da der aktuelle Verkauf ein Share Deal ist, eine Übertragung von Firmenanteilen, greift kein Vorkaufsrecht. Die grüne ­Bundestagsabgeordnete Canan Bayram fordert dennoch, die Gelegenheit zu nutzen, um die Häuser „in das Eigentum von kommunalen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften oder anderen gemeinwohlorientierten Trägern zu überführen“. Die Mieter der Reichenberger 55, die ein Modell für eine Genossenschaft ausgearbeitet haben, fordern von der Deutschen Wohnen in einem Brief, auf die Übernahme ihres Hauses zu verzichten: „Um es klar zu sagen: Wir werden mit Ihnen nicht glücklich und Sie nicht mit uns.“ Baustadtrat Schmidt droht, sollte auch die Deutsche Wohnen auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen setzen: „Dann wären die vereinzelten Mieterdemonstrationen der vergangenen Monate nur ein kleiner Anfang.“