Streit um Kündigungen in Bergwerk: Ein Haufen Schikane

Am Steinhuder Meer stellt K+S die Förderung ein. Mitarbeiter des Kali-Bergwerks kritisieren das Unternehmen: Statt Sozialplan übe es Druck aus.

Kaliberg

Abraumhalde der Kaliproduktion: der „Kalimandscharo“ am Steinhuder Meer Foto: dpa

HANNOVER taz | LED-Grablichter scheinen grell an der Zufahrt des Bergbauunternehmens K+S im niedersächsischen Wunstorf. Sie sind Zeichen des Protests der Mitarbeiter des Standorts nahe des Steinhuder Meers. Schon seit dem vergangenen Jahr ist klar, dass mit der Kaliproduktion im Bergwerk Sigmundshall Ende dieses Jahres Schluss ist. Die wirtschaftlich zu gewinnenden Vorräte an Rohsalz neigten sich dem Ende zu, erklärte K+S damals.

Den angekündigten Sozialplan für die Mitarbeiter gibt es auch mehr als ein halbes Jahr später noch nicht. Die Verhandlungen scheiterten im Juni. Jetzt läuft das Verfahren vor der Einigungsstelle – und die Beschäftigten kritisieren öffentlich, dass das Unternehmen Druck auf sie ausübe.

Vanessa Schön hat die Facebook-Gruppe „Solidarität mit Sigmundshall“ gegründet, um auf die Situation der Arbeitnehmer aufmerksam zu machen. Ihr Mann arbeitet als Bergmann bei K+S, seit 18 Jahren unter Tage. Er ist einer der betroffenen 730 Mitarbeiter, die gerade um ihre Zukunft bangen. „Es hieß, dass Anfang des Jahres jeder weiß, was mit ihm passiert“, sagt Schön. Doch das Unternehmen habe sich Zeit gelassen – und die Arbeitnehmer im Dunkeln. Schön wirft K+S gar „Mafiosi-Methoden“ vor.

Schon im Dezember hatte das Unternehmen angekündigt, „möglichst vielen“ Mitarbeitern neue Arbeitsplätze an anderen Standorten der K+S Gruppe anbieten zu wollen. Mittlerweile hat es Angebote gegeben. Der Vorwurf von Schön und ihren Mitstreitern ist jedoch, dass die angebotenen Arbeitsplätze in vielen Fällen nicht der Qualifikation der Mitarbeiter entsprochen haben sollen und zudem schlechter bezahlt seien. „Außerdem sind sie unter Druck gesetzt worden“, sagt Schön.

Wenn sich in einem Unternehmen der Betriebsrat und die Geschäftsführung nicht einigen, wird eine Einigungsstelle angerufen. Diese kann dann verbindliche Regelungen schaffen und zum Beispiel Abfindungsansprüche in einem Sozialplan festlegen.

Besetzt wird die Einigungsstelle mit einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und dem Betriebsrat gestellt werden und einem unabhängigen Vorsitzenden, in der Regel einem Richter von einem Arbeitsgericht.

Die Zahl der Beisitzer und die angesetzten Tage der Verhandlungen hängen davon ab, wie komplex der Streitpunkt ist. Die Kosten trägt der Arbeitgeber.

K+S habe Fahrten zu anderen Standorten organisiert, damit sich die Arbeitnehmer die neuen Arbeitsplätze hätten anschauen können. „Dort wurden ihnen unterschriftsreife Verträge gegeben“, sagt Schön. „Die sollten sie gern sofort unterschreiben. Nach dem Motto: Wollen Sie oder nicht?“ Denn da seien noch andere Mitarbeiter, die den Job wollten.

Schöns Mann war bei diesen Fahrten nicht dabei. Ein Angebot hat aber auch er bekommen. „Eine Lohngruppe unter dem, was er jetzt bekommt.“ Zudem würde der Bergmann über Tage arbeiten und damit die Möglichkeit, mit 55 Jahren vorzeitig in Rente zu gehen, verlieren. Diese sogenannte Knappschaftsausgleichsleistung steht Bergleuten zu, die 25 Jahre unter Tage gearbeitet haben.

Annehmen wolle die Familie das Angebot nicht. „Wir können nicht.“ Sie kümmere sich um ihre zwei pflegebedüftigen Großmütter und arbeite als Leiterin einer Kita. Ihr Haus haben sie erst vor zwei Jahren gebaut. Familie Schön will klagen und hofft darauf, dass der 41-Jährige es unter die 220 Arbeitskräfte schafft, die für die nächsten drei bis vier Jahre in Wunstorf bleiben können, weil die Anlage noch zurückgebaut werden muss, bevor das Bergwerk geflutet wird. „Wir haben das Gefühl, dass die Angebote so schlecht waren, weil K+S möchte, dass sie abgelehnt werden“, sagt Schön.

Ulrich Göbel, Unternehmenssprecher K+S

„Wer sich zuerst entscheidet, bekommt den Zuschlag“

Unternehmenssprecher Ulrich Göbel bestreitet, dass K+S Druck ausgeübt habe. „Drü­ckermethoden entsprechen nicht der Art, wie wir mit Mitarbeitern umgehen.“ Man habe interessierten Mitarbeitern schon früh Jobmöglichkeiten an anderen Standorten angeboten und diesen tatsächlich mit Bussen die Werke und die Umgebung vor Ort gezeigt. Für die Mitarbeiter mit der passenden Qualifikation habe das Prinzip gegolten: „Wer sich zuerst entscheidet, bekommt den Zuschlag.“ Denn die offenen Stellen seien begrenzt gewesen. „Wenn Mitarbeiter das als Druck empfinden, ist das bedauerlich“, sagt Göbel.

100 Mitarbeiter seien bisher auf die Angebote eingegangen. Weitere 100 Angestellte wechselten in den vorzeitigen Ruhestand. „Es bleiben circa 300 Mitarbeiter, für die es keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt“, sagt Göbel. Die Kündigungen gingen bis Anfang nächster Woche raus. Auch diese Mitarbeiter hätten jedoch die Möglichkeit, andere Stellen im Unternehmen anzunehmen. „Die werden allerdings nicht immer der bisherigen Qualifikation und der Lohnstufe entsprechen“, sagt Göbel. Um den Menschen trotzdem einen Anreiz für den Umzug zu setzen, zahle K+S bis zu 40.000 Euro zusätzlich zum Umzug.

Ralf Becker von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie hatte das in den gescheiterten Verhandlungen um den Sozialplan noch anders verstanden. Dass den Mitarbeitern Stellen an anderen Standorten angeboten wurden, begrüßt er und auch die Fahrten zu den Werken findet er sinnig. „Aber es ist klar, dass die Leute eine gleichwertige Beschäftigung und das gleiche Geld bekommen müssen“, sagt Becker. Sonst motiviere der Arbeitgeber nicht dazu, den Lebensmittelpunkt in eine andere Stadt zu verlegen.

Die Verhandlungen über den Sozialplan in der Einigungsstelle gingen gestern noch bis Redaktionsschluss.

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