Riskante Baustellen: Das Schweigen der Ämter

Die Verkehrslenkung ruft auf, Baustellen zu melden, wo Gefahren für Radfahrende herrschen. Aktivisten sagen nun: Die meisten Meldungen verhallen ungehört.

Immer mitten druff: Baustelle auf einem Schöneberger Radweg Foto: Jens Steckel / Changing Cities e. V.

Wer meint, Straßenverkehr in Deutschland sei eine komplett durch-, ja überregulierte Angelegenheit, fährt wohl nicht Fahrrad oder hat noch nie eine Baustelle passiert. Denn wo gebaut wird – ob nun ein Gebäude neben der Straße hochgezogen wird oder die Rohre darunter erneuert werden –, wird es oft fantasievoll: In wilden Schlenkern mäandern gelbe Schutzstreifen um die Hindernisse, machen einen Satz über die Bordsteinkante oder quetschen sich zwischen den Bauzaun und die ebenso enge Fahrbahn für alles Motorisierte.

Mitunter kann das richtig gefährlich werden, wie unlängst ein Video aus der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg der Öffentlichkeit verdeutlichte. Die Alternative: Baustellen werden mitten auf den Radweg gepflanzt, Umleitung Fehlanzeige.

Zuständig für die Sicherheit rund um Baustellen ist auf Hauptverkehrsstraßen die Verkehrslenkung Berlin (VLB) – eine Unterbehörde der Senatsverkehrsverwaltung –, auf den restlichen Straßen sind es die Bezirke. Dass es „leider immer wieder zu fehlerhaften oder missverständlichen Ausschilderungen oder Verkehrsführungen“ kommt, ist auch der Verkehrsverwaltung nicht entgangen: „Häufig ist das auf Fehler der ausführenden Firmen zurückzuführen“, hieß es vor zwei Jahren in einer Mitteilung. Damals wurde ein Meldesystem eingerichtet, mit dem Betroffene „unkompliziert Meldung erstatten“ können.

Bei Anruf Sicherheit? Fast zu schön, um wahr zu sein. Jens Steckel, Radaktivist vom Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg, machte in den vergangenen zwölf Monaten die Probe aufs Exempel: Er meldete 100 problematische oder gefährliche Situationen in der ganzen Stadt per Mail an die VLB und dokumentierte die Antworten – beziehungsweise deren Ausbleiben.

Denn 29-mal gab es laut Steckel gar keine Reaktion und sechsmal wurde zwar die Prüfung des Sachverhalts angekündigt, dann aber folgte Schweigen. In 49 Fällen hieß es, die Angelegenheit sei an den zuständigen Bezirk weitergeleitet worden – der dann wiederum 35-mal eine Antwort schuldig blieb. Auf der Habenseite stehen 12 Mails von der VLB und 9 von den Bezirken, in denen es hieß, man habe den Missstand erkannt und behoben.

„Nicht mal das funktioniert“

Dass Baustellen „kaum überwacht“ und die BürgerInnen dafür eingespannt würden, sei „ein Armutszeugnis der Verwaltung“, sagt Steckel und kommt nun zum Fazit: „Nicht mal das funktioniert, weil die Verkehrslenkung oder die zuständigen Straßenverkehrsbehörden diese Anzeigen kaum bearbeiten.“ Die VLB erfülle ihren Anspruch nicht, lautet also jetzt der Vorwurf von Changing Cities: „Baustellen, bei denen die Belange von Radfahrenden berücksichtigt wurden, sind die Ausnahme“. In den vergangenen 12 Monate sei dies sogar noch schlimmer geworden.

Aus der Senatsverkehrsverwaltung hieß es auf taz-Anfrage, der Vorwurf mangelhafter Überwachung sei „nicht zutreffend“. Das „Gegenteil ist der Fall“, so Sprecherin Dorothee Winden. Seit einer Personalaufstockung 2017 überwache die VLB Baustellen verstärkt. Andererseits gebe es bei insgesamt rund 100.000 „verkehrsrechtlichen Anordnungen“ pro Jahr vergleichsweise wenige Beschwerden. Deren Prüfung nehme manchmal längere Zeit in Anspruch, weil Abstimmungen mit mehreren Beteiligten – „Bauherren, ausführende Baufirmen, Sicherungsfirmen, Straßenbaulastträgern, BVG usw.“ – erforderlich seien.

Allerdings versprach Winden: „In den Fällen, in denen die VLB zuständig ist und zum Teil angeblich keine Antwort gegeben haben soll, ist die VLB gerne bereit, dies zu überprüfen.“

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