Freie Fahrt für arme Kinder

Mit einem Sofortprogramm will die Linksfraktion den öffentlichen Personennahverkehr sozialer gestalten. Fernziel bleibt die Ticketfreiheit

Hoch aufragt der Ticketautomat , doch höher der Preis Foto: Ismail

Von Alina Götz

Die Fraktion Die Linke hat am Mittwoch ein Konzept mit acht Sofortmaßnahmen für einen gerechteren öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) vorgestellt. Die aktuellen Ticketpreise der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) seien aus sozialpolitischen und ökologischen Gründen zu hoch, heißt es in dem Papier. BSAG-Pressesprecher Andreas Holling erklärt auf Anfrage der taz: Der Betrieb gehöre der Stadt, „die Preise sind immer politische Preise“.

Nelson Janßen, armuts- und umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisiert vor allem die Benachteiligung bestimmter Personengruppen. Der Preis des Schülertickets sei „absurd hoch“, es gebe kein Seniorenticket, und der Preis des Sozialtickets übersteige die Summe, die für Leistungsbezieher nach Sozial- oder Asylrecht monatlich für Mobilität vorgesehen ist. Die Maßnahmen des Konzepts sollen diese Ungerechtigkeiten aufheben: durch Umsonstfahrten für anspruchsberechtigte Kinder, ein ermäßigtes Ticket ab 60 Jahren oder ein auf 25 Euro vergünstigtes Sozialticket. „Momentan zahlen die Nutzer für die Sparpolitik des Senats“, bemängelt Janßen.

Aber wo soll das Geld herkommen? „Wir erwarten Steuermehreinnahmen, außerdem gibt es Neuerungen im Bund-Länder-Finanzausgleich. Über die Verteilung dieser Gelder werden wir sprechen“, erklärt Janßen. Das sei natürlich eine Umverteilung im Haushalt – sozial- und verkehrspolitisch motiviert.

Die berechneten Kosten basieren auf den Daten der BSAG und des Senats aus einer großen Anfrage der Linken. Es handele sich um 20 Millionen Euro pro Jahr. Wenn Bremen sich dem bundesweiten Durchschnitt anpassen würde, den ÖPNV zu 50 Prozent zu finanzieren, müsse der Senat um 22 Millionen Euro aufstocken. Janßen stellt fest: „Wir rechnen uns nichts schön. Damit wäre unser Vorschlag real umsetzbar.“

Erst im Juni hatte die Linksfraktion per Dringlichkeitsantrag vorgeschlagen, die Preise für den öffentlichen Nahverkehr vorerst einzufrieren. Der Antrag wurde in die Deputation für Bau und Verkehr verwiesen. Mit ihrem „Sofortprogramm für gerechtere Ticketpreise“ legt sie jetzt nach.

Das Thema steht auch bei anderen Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft auf dem Zettel und damit wohl auch im kommenden Wahlprogramm. Die Grüne schlug bereits im Mai ein Konzept, angelehnt an das Wiener Modell, vor. Enthalten ist ein 365-Euro-Jahresticket.

„Das ist ein Schritt, gegen den wir uns nicht sträuben würden. Aber das reicht nicht, für manche ist das immer noch zu teuer“, kritisiert Janßen.

Auch die Landesvorsitzende der SPD Bremen, Sascha Aulepp, und der Landesvorstandssprecher der Grünen, Ralph Saxe, beide Bürgerschaftsabgeordnete, sind sich einig, dass kostenloser Nahverkehr toll wäre. Mindestens müsse eine Preissenkung kommen. Nur die FDP will derzeit höchstens über die Qualität des ÖPNV reden.

„Wenn Bremen sagt, das machen wir, dann machen wir das auch“

Andreas Holling, BSAG-Sprecher

„Inhaltlich sind wir gar nicht weit voneinander entfernt“, so Janßen. „Bisher scheitert es auf der Beschlussebene.“ Er hoffe nun auf Änderungen in der nächsten Legislaturperiode.

Dass Tarife durchaus kommunal variieren können, zeigt ein Beispiel: In Weyhe wird den Bürger*innen künftig ein MIA-Abo des Verkehrsbundes Bremen/Niedersachsen (VBN) bezuschusst. Laut VBN-Pressesprecher Eckhard Spliethoff hat sich das der Gemeinde-Bürgermeister Andreas Bovenschulte überlegt – ein prominenter Kandidat der SPD für die Bürgerschaft 2019. „Es ist allein die Politik, die das hier finanziert“, so Spliethoff.

So sieht das auch Holling von der BSAG: „Wenn die Stadt Bremen sagt, das machen wir und es ist Geld dafür da – dann machen wir das auch.“ Die BSAG wolle niemanden ausschließen, mitzufahren, schon gar nicht aus sozialen Gründen. Holling benennt auch ein weiteres Problem dieser Debatte, welches längst in politischen Kreisen angekommen ist. Laut Studien sorge ein kostenloser ÖPNV nicht zwingend dafür, dass Autofahrer*innen umsteigen. Holling sagt, „wenn der ÖPNV nur in Konkurrenz zu Radfahrern und Fußgängern tritt, ist niemandem geholfen.“ Dem Klima erst recht nicht.

Für die Linksfraktion ist das Konzept dagegen ein erster Schritt mit kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen. „Kostenloser Nahverkehr bleibt das Ziel“, so Janßen. Er hofft, dass mit einem kostenfreien und attraktiveren ÖPNV auch der Weg für autoarme Innenstädte bereitet wird.