DFB, Fußball-WM und Rassismus: „Fuck racism“

Schweden und Brasilien haben vorgemacht, wie Verbände ihre Spieler vor Hetze schützen können. Der DFB muss das noch lernen.

Jimmy Durmaz hält vor dem Training der schwedischen Nationalmannschaft eine kurze Ansprache.

Der schwedische Verband stellte sich nach rassistischen Anfeindungen hinter Jimmy Durmaz Foto: dpa

„Wir stehen an deiner Seite!“ Der brasilianische Fußballverband CBF hat deutliche Worte gefunden für den Umgang etlicher Anhänger der Nationalmannschaft mit Mittelfeldakteur Fernandinho. Der hatte im Viertelfinale gegen Belgien zum 0:1 ins eigene Tor geköpft und sah sich nach dem überraschenden Ausscheiden Brasiliens massiven Beleidigungen ausgesetzt. Auf seinen Social-Media-Accounts hagelte es Morddrohungen und rassistische Beleidigungen. Wiederholt wurde er als „Affe“ beschimpft. Seiner Frau und seiner Mutter erging es nicht viel besser.

Der Fußballverband seines Landes handelte umgehend. Via Instagram versandte er eine eindeutige Botschaft: „Die CBF weist alle rassistischen Angriffe, denen Fernandinho und seine Familie zum Opfer gefallen sind, zurück. Fußball repräsentiert die Einheit der Farben, Arten, Kulturen und Nationen. Wir stehen an deiner Seite. Kein Fußbreit den Rassisten!“

„Fuck Racism!“ Auch die Botschaft der schwedischen Auswahl nach rassistischen Schmähungen gegen den Nationalspieler Jimmy Durmaz ließen in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Durmaz, dessen Familie aus der Türkei stammt, war verantwortlich gemacht worden für die Niederlage der Schweden gegen Deutschland, war er es doch, der den Freistoß verschuldete, der zum entscheidenden 2:1 durch Toni Kroos führte.

„Es gehört zu unserem Job, kritisiert zu werden, Tag für Tag. Aber ein Teufel genannt zu werden oder Selbstmordattentäter sowie Beleidigungen gegen Familie und Kinder sind völlig inakzeptabel. Ich bin schwedisch und stolz darauf, das Trikot und die Flagge zu tragen“, sagte Durmaz vor den versammelten Journalisten und Teambetreuern, während seine Mannschaftskameraden mit verschränkten Armen hinter ihm standen.

„Wir sind vereint. Wir sind Schweden, oder Jungs?“, fragte Durmaz dann. Die Antwort war eindeutig: „Fuck Racism!“ Das Video dieser Aktion ist längst viral gegangen.

„Wir sind Vielfalt!“ – Auch der Deutsche Fußballbund hat schon einmal ein beeindruckendes Zeichen gegen den Rassismus gesetzt. Vor der Europameisterschaft 2016 hatte AfD-Mann Alexander Gauland gesagt, die Deutschen würden Nationalspieler Jérôme Boateng als Fußballer schätzen, ihn aber nicht als Nachbarn wollen. Der DFB baute daraufhin ein Video, in dem vor schwarzem Hintergrund nichts anderes zu sehen ist als die Metamorphose eines Spielerkopfs in den nächsten. Die Botschaft war unmissverständlich.

DFB hat das Gespür verloren

Es ging um Zusammengehörigkeit. Der DFB wurde mit Lob für das Video regelrecht überschüttet. Der Verband inszenierte sich als Musterklub der Vielfalt und es wurde ihm abgenommen. Zwei Jahre später schafft er es dann aber nicht mehr, einen der seinen vor Rassisten in Schutz zu nehmen, die nicht müde werden zu fordern, Özil solle doch für die Türkei spielen.

Der DFB wirft ihn diesen Pöblern regelrecht zum Fraß vor, indem er immer wieder sein Verhalten in der Affäre um die Wahlkampfbilder für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan kritisiert. Von Zusammengehörigkeit ist nicht viel zu spüren. Der DFB hat innerhalb von nur zwei Jahren jedes Gespür für das Thema Rassismus im Fußball verloren.

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Wohin so etwas führen kann, konnte man kurz vor der Weltmeisterschaft im schweizerischen St. Gallen beobachten. Dort trat die italienische Nationalmannschaft beim Testspiel gegen Saudi-Arabien zum ersten Mal seit Langem wieder mit Mario Balotelli an. Der Sohn ghanaischer Eltern wurde von Fans mit einem Plakat empfangen, das unfreundlicher nicht hätte sein können. „Mein Kapitän muss italienisches Blut haben!“, stand darauf zu lesen.

Der neue italienische Nationaltrainer Roberto Mancini hatte mit dem Gedanken gespielt, den Stürmer, der in Nizza spielt, zum Vertreter von Kapitän Leonardo Bonucci zu machen. Will Mancini das durchsetzen, muss er es gegen einen Teil der Fans tun. Es wäre ein Zeichen gegen den Rassismus, mit dem Balotelli regelmäßig konfrontiert wurde, so lange er noch in Italien spielte.

Wenn die Gerüchte stimmen, die vor allem vom ehemaligen italienischen Verbandspräsidenten Carlo Tavecchio verbreitet werden, dann müsste Mancini sich auch gegen Teile der Mannschaft zur Wehr setzen, wenn er Balotelli in der Hierarchie nach oben befördern will.

Ein Beispiel an Brasilien und Schweden nehmen

Nachdem Italien in der WM-Qualifikation gescheitert war, kam immer häufiger die Frage, warum der bei Nizza mit alter Stärke stürmende Balotelli so lange nicht nominiert wurde. Tavecchio behauptet, Spieler hätten ein Veto dagegen eingelegt. Die Rassismusdebatte hat demnach den Kern der Mannschaft selbst erreicht.

Dass die Fifa vor dem Hintergrund dieser andauernden rassistischen Vorkommnisse um den Fußball Ende 2016 ihre Task Force gegen Rassismus eingestampft hat (Begründung: Sie habe ihre zeitlich begrenzte Mission vollumfänglich erfüllt) klingt immer noch wie ein schlechter Scherz. Liliam Thuram, der französische Weltmeister von 1998 und unermüdlicher Kämpfer gegen Rassismus im Fußball, meinte damals: „Wie großartig wäre es doch, wenn alle Menschen, die Fußball lieben, immer auch an den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung denken, wenn es um die Fifa geht.“

Beim schwedischen Fußballverband ist das nach dem spontanen Schulterschluss für Jimmy Durmaz durchaus denkbar. Auch der brasilianische Verband macht viel, um eine antirassistische Grundhaltung zu zeigen. Beim DFB konnte man sich ähnliches vor zwei Jahren auch noch vorstellen. Jetzt muss er sich ein Beispiel an anderen Verbänden nehmen. Täte er es, er würde sehen: Geht doch!

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