Erschließung der Weltmeere: Die Ozeane sind kaum noch wild

Nur noch 13 Prozent der Flächen in den Meeren gelten als unberührte Natur. Schuld sind unter anderem industrielle Fischerei und Schifffahrt.

Zwei Polizisten stehen vor einem riesigen Containerschiff

Immer mehr Schifffahrt, industrielle Fischerei und die Einleitung von Giften zerstören die Meere Foto: dpa

Meere, die noch nicht durch menschliche Aktivitäten geschädigt worden sind, gibt es so gut wie gar nicht mehr. Abgesehen von einigen Regionen in den arktischen Gewässern, den Ozeanen rund um die Antarktis und Teilen des zentralen südlichen Pazifiks kann von einer „marinen Wildnis“ nicht mehr die Rede sein. Als solche ist maximal noch eine Fläche von 13 Prozent der Weltmeere zu bezeichnen. Das ist das Fazit einer Analyse über den Status der Ozeane, die gerade im Wissenschaftsmagazin „Current Biology“ veröffentlicht wurde.

„Wir waren erstaunt, dass so wenig marine Wildnis übriggeblieben ist“, sagt Kendall Jones von der australischen Queensland-University, der die Forschungen leitete. Die Ozeane sind gewaltig, sie decken rund 70 Prozent der Erdoberfläche. Aber die Menschen hätten es geschafft, dieses riesige Ökosystem wesentlich zu beeinflussen, sagt Jones. Denn 40 Prozent der Erdbevölkerung leben an den Küsten oder in ihrer Nähe. Zehn Prozent seien in ihrem Lebensunterhalt vom Fischfang abhängig, sagt er. Vier Milliarden Menschen deckten mit Meeresfrüchten einen zentralen Teil ihrer Ernährung.

„Industrielle Fischerei findet in immer größeren Gebieten und Tiefen statt, der Schiffsverkehr ist ausgedehnter als je zuvor“, konstatiert Jones. Diese Entwicklung sei höchst problematisch. Denn die Wildnisgebiete seien so etwas wie das „Herz der Ozeane“. Sie seien letzte Reservoire biologischer Vielfalt und damit „von zentraler Bedeutung für einen gesunden, funktionierenden Planeten“. Und sie seien auch ein Fenster in die Vergangenheit, eine Art Zeitmaschine. Sie ermöglichten einen Blick darauf, wie die Meere vor der Überfischung und der globalen Verschmutzung der Ozeane einmal ausgesehen haben.

Berücksichtige man die Auswirkungen des Klimawandels, gebe es in den Ozeanen eigentlich keine von menschlicher Aktivität unberührten Gebiete mehr, sagt Jones. Bei der Definition von Regionen „mariner Wildnis“ habe man diesen Faktor deshalb auch zunächst ausgeklammert und alle untersuchten Meeresgebiete alternativ anhand von 19 beziehungsweise 15 „Stressfaktoren“ klassifiziert. Neben Fischerei und Schiffsverkehr waren das beispielsweise die Einleitung von Düngemitteln durch die Landwirtschaft oder Chemikalien durch die Industrie. Als „Wildnis“ seien die Meeresgebiete übriggeblieben, die bislang „so gut wie frei“ von menschlicher Einwirkung seien.

Schutzgebiete ausdehnen

Um zumindest diese letzten Wildnisgebiete zu bewahren, müssen umgehend Konsequenzen gezogen werden. „Denn wir wissen, dass diese Gebiete im katastrophalen Maße schrumpfen“, sagt James Watson, Biologe an der Queensland-University und Co-Autor der Studie. Diese Prozess beschleunigen eine immer ausgedehntere Tiefseefischerei, wachsende Offshore Gas- und Erdölbohraktivitäten und schmelzendes Eis. „Nirgendwo ist es mehr sicher“, sagt er.

Das ForscherInnenteam schlägt vor, dass vor allem die bestehenden marinen Schutzgebiete ausgedehnt werden sollten. Diese umfassten derzeit nur 4,9 Prozent der marinen Wildnis-Gebiete. Die restlichen mehr als 95 Prozent könnten zum überwiegenden Teil selbst theoretisch nicht über nationale Maßnahmen geschützt werden, weil sie fast vollständig außerhalb der Hoheitsgrenzen von Küstenanrainerstaaten liegen. Internationale Abkommen zum Schutz der Meere seien deshalb unerlässlich, beispielsweise im Rahmen der im September beginnenden Verhandlungen über eine Erweiterung der Meeresschutzkonvention der Vereinten Nationen. Jones: „Bisher gibt es aber noch kein internationales Umweltabkommen, das den Begriff ‚Wildnis‘ auch nur anerkennt.“

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