Zurück in der Alltagsmühle

Gut gebräunt kommt Regierungschef Müller aus der Sommerpause, kündigt bei Rot-Rot-Grün ein klärendes Spitzengespräch an und hofft, dass seine Partner bei der Videoüberwachung einlenken

Er ein Umweltsünder? Michael Müller (SPD) weist das weit von sich, nachdem ihm die Deutsche Umwelthilfe vorgehalten hat, er fahre den umweltschädlichsten Dienstwagen aller 16 Ministerpräsidenten. Müller will zu Amtsantritt Ende 2014 auf die Aussagen von Polizei und anderen vertraut haben, dass es zu seinem gepanzerten S-Klasse-Mercedes keine Alternative gebe. Erst jetzt habe er durch das Beispiel anderer Regierungschefs erfahren, dass er Entscheidungsspielraum gehabt hätte:„Ich bin stinksauer." Nun würden Leasingverträge und Alternativen überprüft. (sta)

Von Stefan Alberti

Der oft als blass beschriebene Regierungschef, er kommt gut gebräunt und erholt wirkend zu den Journalisten, die am Dienstag im Presseraum des Roten Rathauses auf ihn warteten. Es ist Michael Müllers inoffizielle Sommer-Fragestunde zum Ferienende, querbeet durch die Landespolitik. Er lacht viel an diesem Tag, was gar nicht dazu passt, dass er unbeliebtester deutscher Ministerpräsident ist und seine SPD auf Rekord-Tief. Das kann er selbst durchaus verstehen: „Es gibt eine große Erwartungshaltung, die nicht von heute auf morgen erfüllt werden kann, und das schlägt sich in den Umfragen nieder.“

Es ist der zweite Tag nach den Sommerferien, die mit Abgesängen auf die rot-rot-grüne Koalition begonnen hatten. SPD, Linkspartei und Grüne, die drei Bündnispartner, könnten zu oft nicht miteinander, bekämen in den zentralen Feldern Wohnungsbau und Schule zu wenig hin. Fertige Wohnungen, deren Zahl hinter den Plänen zurückbleibt, eine seit vergangenem Jahr angekündigte milliardenschwere Schulbauoffensive, die im Schatten immer neuer Gruselmeldungen über marode Klassenräume und noch mehr fehlende Lehrkräfte steht.

Müllers Parteifreund Raed Saleh, der Chef der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, hat Berlins politische Sommerpause am Wochenende mit seiner Forderung nach einer „wohnungspolitischen Revolution“ beendet. Der Inhalt in Kürze: Eigentümer, deren Immobilie abgezahlt ist, sollten die Mieten viel weniger stark als bislang erhöhen dürfen. „Es ist richtig, was er sagt“, meint Müller über den Vorstoß seines Dauerrivalen. Der Finanzsenator werde zu Salehs Forderung konkrete Vorschläge erarbeiten, kündigt Müller an.

Der Befund eines Journalisten, dass die SPD nun offenbar beim Mieterschutz punkten will, wo sich die Linkspartei seit Monaten so profiliert, dass sie auf 21 Prozent zulegen konnte, vier Punkte vor der SPD, erschüttert Müller nach eigenen Worten. Beim Mieterschutz in Berlin gebe es „nicht eine einzige Regelung, die nicht von mir ist“, sagt er und verweist auf Dinge, die er von 2011 bis 2014 als Stadtentwicklungssenator auf den Weg gebracht hat.

Und trotzdem ist es eben die Linkspartei, die vornehmlich als Anwältin der hier lebenden Mieter wahrgenommen wird, die vor dem Ansturm von jährlich fast 50.000 Neuberlinern schützt. Ganz offen kanzelte die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Neubau als preistreibend ab. „Jeder muss akzeptieren, dass zu unserem Maßnahmenmix auch Bauen gehört“, fordert Müller am Dienstag. Das hört sich zwar wie eine klare Ansage an die Koalitionspartner an. Es klingt aber um einiges milder als das bisherige SPD-Mantra vom „Bauen, bauen, bauen“.

Es soll in nächster Zeit ein längeres Gespräch mit den führenden Köpfen von Linkspartei und Grünen in der Landesregierung geben, mit Klaus Lederer, dem Kultursenator, und mit Ramona Pop, der Wirtschaftssenatorin, sobald Lederer aus dem Urlaub zurück ist. Denn da ist merklich noch etwas aufzuarbeiten. „Die Senatsklausur hätte anders laufen müssen“, sagt Müller im Rückblick auf das Treffen Ende Juni, bei dem wenig bis gar nichts rauskam, was Müller nicht ausreichender Vorbereitung des einen oder anderen Senatsmitglieds zuschreibt.

Der nächste Konflikt ist aber vorprogrammiert: Videoüberwachung. Müller lehnt zwar das im Februar dazu gestartete Volksbegehren ab, spricht aber am Dienstag von „10 oder 15 Orten“, an denen er eine Kameraüberwachung für sinnvoll hält. „Und da hoffe ich mal, dass wir die Koalitionspartner dafür gewinnen“, sagt er. Seine Einschätzung zur Haltung dieser Partner lautet allerdings: „Der eine ist knallhart dagegen, der andere nur hart.“