Verfassungsgericht zu Holocaust-Aussagen: Leugnen ist wie Billigen

Den Holocaust hat es nicht gegeben? Wer das behauptet, gefährdet den „öffentlichen Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft, urteilt Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Hier wurde Ursula Haverbeck der Prozess gemacht Foto: dpa

Das „Leugnen“ des Holocausts gefährdet in der Regel den „öffentlichen Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht im Fall der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Dagegen muss bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust die Eignung zur Friedensgefährdung von den Gerichten ausdrücklich festgestellt werden.

Die 89-jährige Haverbeck hatte in einer Reihe von Publikationen behauptet, das Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau sei ein reines Arbeitslager der Rüstungsindustrie gewesen. Dort seien keine Juden vergast worden. In der historischen Forschung gilt dagegen als gesichert, dass in Auschwitz-Birkenau rund 900.000 Menschen in Gaskammern ermordet wurden. Die einschlägig vorbestrafte Haverbeck wurde deshalb 2017 vom Landgericht Verden zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Im zweiten Fall hatte der Betreiber von Netzradio Germania einen Beitrag gesendet, in dem es hieß: „Die historischen Wahrheiten werden verfolgt, als Revisionismus diskreditiert oder als Holocaust-Leugnung und Relativierung von Nazi-Verbrechen mit Kerker bestraft.“ Weil in diesem Kontext mehrfach von „Lügen“ die Rede war, wurde der Betreiber vom Landgericht Paderborn 2015 wegen „Verharmlosung“ des Holocaust zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro (100 Tagessätze) verurteilt.

Die Verfassungsrichter betonten, die Verbreitung offensichtlich falscher Tatsachen sei nicht von der Meinungsfreiheit geschützt, da Lügen zum gesellschaftlichen Diskurs nichts Sinnvolles beitragen können. Soweit Holocaust-Leugner ihre Behauptungen mit Argumenten unterlegen, gelte zwar die Meinungsfreiheit. Verbote seien dann aber auf gesetzlicher Grundlage möglich. Ausnahmsweise seien auch Gesetze gegen bestimmte Meinungen zulässig, wenn es um NS-Verbrechen gehe. Das hatte das Bundesverfassungsgericht schon in seinem Wunsiedel-Beschluss von 2009 entschieden. Die Aussagen zur „Billigung“ von NS-Verbrechen wurden nun auf die „Leugnung“ des Holocaust übertragen.

„Friedlichkeit“ muss geschützt sein

Die Richter betonten aber, dass mit Blick auf den hohen Wert der Meinungsfreiheit NS-Aussagen nicht per se bestraft werden können. Erst wenn der „öffentliche Friede“ gefährdet sei, kämen Verbote in Betracht. Eine „Vergiftung des geistigen Klimas“ genüge dabei nicht. Im freiheitlichen Staat müsse man mit „beunruhigenden“ und „provokanten“ Meinungen leben, selbst wenn sie auf eine „Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet“ sind. Geschützt sei aber die „Friedlichkeit“ der öffentlichen Auseinandersetzung. Diese sei gefährdet, wenn Meinungsäußerungen auf reale Handlungen von anderen abzielen, etwa „in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen“ oder wenn sie „durch Herabsetzung von Hemmschwellen“ den Frieden unmittelbar gefährden können.

Wie bei der „Billigung“ von NS-Verbrechen, sei bei der „Leugnung“ des Holocaust die Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens „indiziert“. Sie müsse von den Gerichten deshalb im Einzelfall nicht mehr geprüft werden, so die Verfassungsrichter. Denn die „Leugnung“ des Holocausts könne in Deutschland „nur so verstanden werden“, dass er damit zugleich „legitimiert und gebilligt“ werde. Die Leugnung sei auch geeignet, Gleichgesinnte zu „Aggressionen“ gegen Holocaust-Opfer zu veranlassen, da diese die „Urheber“ der angeblichen Geschichts-Verzerrung seien.

Dagegen müsse bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust im konkreten Einzelfall die Eignung zur Friedensgefährdung gerichtlich festgestellt werden. Dieser Anforderung wurde das Landgericht Paderborn nicht gerecht, weshalb das Urteil gegen den Webradio-Betreiber aufgehoben wurde. Künftig werden Gerichte entsprechende Textbausteine, etwa zur „Herabsetzung von Hemmschwellen“, in ihre Urteile einbauen.

AZ.: 1 BvR 673/18 und 1 BvR 2083/15

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