Aus heiterem Himmel: Kirchliche Schule feuert Schülerin

Die evangelische Bugenhagenschule in Blankenese kündigt einer Schülerin ohne Begründung. Die Schulbehörde ist gegen solch ein Gebaren von Privatschulen machtlos.

Büste von Johannes Bugenhagen in Wittenberg

Hätte sich eine Schule als Marktteilnehmer nicht träumen lassen: Namenspatron Bugenhagen Foto: Torsten Schleese/Wikimedia

HAMBURG taz | Kurz vor den Sommerferien bekamen die 15-jährige Charlotte G. und ihre Mutter Tatjana den blauen Brief. Ohne Angaben von Gründen kündigte der Schulleiter der Blankeneser Bugenhagenschule, Hayo Janssen, darin den laufenden Schulvertrag für das schulpflichtige Mädchen zum August. Für die alleinerziehende Mutter und ihre Tochter war das ein Schock. Auch auf Nachfrage habe der Schulleiter ihnen keine Gründe für den Rauswurf erläutert, sagen die beiden.

Tatjana G. vermutet nun eine Retourkutsche des Schulleiters: Charlotte war daran interessiert, zur Stadtteilschule Blankenese zu wechseln, da diese, anders als die Bugenhagenschule, Profile anbietet, die Charlottes Fähigkeiten und Neigungen genau entsprechen. Klar war aber auch: Sollte der angedachte Schulwechsel nicht klappen, wollte Charlotte weiter auf der Bugenhagenschule im Hessepark bleiben, wo sie sich heimisch fühlt.

Alle Bemühungen von Tatjana G. und ihrer Tochter, den kurzfristigen Rausschmiss zu verhindern, liefen ins Leere. Ein von der Mutter erbetenes Gespräch mit dem Träger der Schule, der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, kam bis heute nicht zustande. Auch ein von ihr eingelegter Widerspruch gegen die Kündigung blieb bislang unbeantwortet.

Er hätte auch kaum Aussicht auf Erfolg. Denn der Rausschmiss von Charlotte G., einer guten Schülerin mit Oberstufenperspektive, dürfte rechtmäßig sein. Privatverträge zwischen der Schule und deren Schüler­Innen oder deren Erziehungsberechtigten regeln Rechte und Pflichten beider Seiten.

Schulträger verweigert Gespräch

Auch die Kündigungsmodalitäten sind frei vereinbar, solange sie nicht sittenwidrig sind. Und die sehen im Standard-Schulvertrag der Bugenhagenschule für beide Vertragsparteien die Möglichkeit vor, mit sechs Wochen Frist zum Monatsende ohne Angabe von Gründen zu kündigen.

„Wir kennen diese Verträge nicht und haben auch keinen Einfluss auf deren Ausgestaltung“, sagt der Sprecher der Schulbehörde, Peter Albrecht: „Da sind wir außen vor.“ Auch die Privatschulaufsicht der Behörde kenne die entsprechenden Vereinbarungen nicht. „Solche Kündigungen gibt es immer mal wieder. Dass sie ohne Begründung ausgesprochen werden, ist allerdings sehr ungewöhnlich.“

Was Albrecht nicht sagt: Oft schaffen sich Privatschulen Problemschülerinnen per Kündigung vom Hals – das staatliche Schulsystem muss die schulpflichtigen Kinder dann aufnehmen.

Der Leiter der Bugenhagenschule spricht lieber über den „Markt“ als über Pädagogik

Bei staatlichen Schulen löst jeder Schulwechsel gegen den Elternwillen eine Flut pädagogischer Konferenzen aus – stets wird nach milderen Lösungen gesucht, wenn ein Kind etwa in der Klassengemeinschaft nicht zurechtkommt.

An der Bugenhagenschule dagegen wurden offenbar nicht einmal Charlotte G.s LehrerInnen von der Kündigung in Kenntnis gesetzt. Sie fielen aus allen Wolken, als Tatjana G. sie informierte, dass ihre Tochter die Schule verlassen muss. Demnach hat Schulleiter Janssen die Kündigung im Alleingang ausgesprochen.

Ein Vorfall, der im staatlichen Schulsystem undenkbar wäre. „Wir haben als Behörde eine andere Auffassung über die Verantwortung einer Schule gegenüber den Schülerinnen und Schülern“, kanzelt Al­brecht die Bugenhagenschule ab. Denn jeder Zwangs-Eingriff in die Schullaufbahn kann für das betroffene Kind schwerwiegende Konsequenzen haben.

Auf taz-Anfrage mag Schulleiter Janssen sich über die Kündigungsgründe und den konkreten Fall „zum Schutz der beteiligten Personen“ nicht auslassen. Statt über Pädagogik zu sprechen, schwadroniert der Schulleiter über den „Markt“, dem sich die Schule stellen müsse. Hier kämen kurze Kündigungsfristen ja auch auf Seiten vieler Eltern gut an.

Die ganzen Sommerferien ohne Schulplatz

Das betont auch Katja Tobias, Sprecherin der Stiftung Alsterdorf. Die kurzen Kündigungsfristen kämen „vor allem den Eltern entgegen“ die „schnell reagieren können, sollte die individuelle Lebenssituation dieses Erfordern“.

Für die Lebenssituation von Charlotte G. und ihre Mutter aber hat der Rausschmiss negative Konsequenzen. Die gesamten Sommerferien wussten beide nicht, in welche Schule Charlotte in Zukunft gehen soll. Erst einen Tag vor Ferienende, Mittwoch vor neun Tagen, erhielt Tatjana G. einen Brief von der Schulbehörde, dass ihre Tochter einen Schulplatz in Osdorf zugewiesen bekommen hat.

Der Antrag, auf die wohnortnähere Stadtteilschule Blankenese zu wechseln, wo bereits Charlottes Bruder zur Schule geht, und die für das Mädchen passende Schwerpunkt-Profile anbietet, wurde abgelehnt. Die Schule verfüge derzeit nicht über freie Plätze, so die Begründung.

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