Urteil gegen US-Whistleblowerin: 63 Monate Knast zur Abschreckung

Reality Winner gab NSA-Dokumente über russische Hackerangriffe an Medien weiter. Dafür wird sie härter bestraft als je ein Whistleblower zuvor.

Frau in orangem Overall und Fesseln

Im Juni hatte sich Reality Winner schuldig bekannt (Archivbild) Foto: ap

NEW YORK taz | Reality Winner, die im Juni 2017 dafür sorgte, dass die US-Öffentlichkeit erstmals Details über die russischen Cyberattacken im Präsidentschaftswahlkampf erfuhr, ist am Donnerstag von einem Gericht in Georgia zu 63 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach der Urteilsverkündung begründete Staatsanwalt Bobby Christine die Härte des Gerichtes mit der angeblichen Notwendigkeit von „Strafe und Abschreckung“.

Die 26-jährige Texanerin hatte ein geheimes Dokument des Geheimdienstes NSA an die Zeitung The Intercept geschickt. Es beschrieb, wie russische Hacker vor den Präsidentenwahlen im November 2016 in mehrere Wahlcomputer eingedrungen waren. Das Urteil, das sie dafür jetzt bekam, ist das härteste, das je ein ziviles US-Gericht für Whistleblowing gefällt hat.

Winner ist die erste Person, die in der Ära von Donald Trump für die Weitergabe eines Geheimdokumentes an die Medien verurteilt wurde. Als Grundlage für ihre Verfolgung und Verurteilung musste wieder einmal das Spionagegesetz herhalten. Die USA hatten es im Juni 1917, kurz nach ihrem Eintritt in den Ersten Weltkrieg geschaffen, um feindselige ausländische Aktivitäten zu verfolgen. In den letzten Jahren ist das Gesetz als Waffe gegen US-AmerikanerInnen eingesetzt worden, die dafür sorgten, dass Missstände im Militär, in der Diplomatie und in den Geheimdiensten öffentlich wurden.

Nur Chelsea (damals noch „Bradley“) Manning hat für die Weitergabe von Geheimdokumenten an Medien eine härtere Strafe bekommen. Allerdings stand Manning vor einem Militärgericht.

Auf ihrem Twitteraccount hat Winner Bewunderung für Snowdens Enthüllungen gezeigt. Sie war auch eine erklärte Gegnerin Donald Trumps, den sie einen „orangenen Faschisten“ nannte. Doch die junge Frau war vor allem moralisch inspiriert. Ihre Twittereinträge zeigen, dass sie sich um die Eisschmelze am Nordpol sorgte, um Haustiere, die auf der Straße ausgesetzt wurden, und um Kinder, die unter den Bomben in Syrien aufwachsen.

Gespräche späterer Drohnenopfer abgehört

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Beruflich allerdings war sie Teil des aufgeblähten Sicherheitsapparates, den die USA seit den Attentaten vom 11. September 2001 aufgebaut haben. Sie war eine von den mehr als 1,5 Millionen Personen, die Zugang zu sensiblen Informationen haben. Sie spricht Arabisch, Farsi, Dari und Paschtu fließend und arbeitete jahrelang als Übersetzerin für die Air Force.

Ihre Aufgabe scheint darin bestanden zu haben, Gespräche von späteren Drohnenopfern der USA abzuhören. Wenige Monate bevor sie zur Whistle­blowerin wurde, wechselte sie vom Hauptquartier der NSA in Maryland zu einem privaten Unternehmen in Georgia, das – ebenfalls unter dem Dach des nationalen Sicherheitsapparates – für die NSA arbeitete.

Winner hat das Dokument im Mai 2017 auf ihrer Arbeitsstelle ausgedruckt und in der Unterhose herausgeschmuggelt. Sie fiel auf, als The Intercept bei der Recherche über den anonym per Post erhaltenen Brief eine Kopie davon an die NSA schickte.

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