SPD und die Rentenreform: Scholz ist nicht der Retter der Rente

Der Finanzminister geriert sich heute als Retter des Rentensystems. Dabei sägte Olaf Scholz unter Rot-Grün einst selbst mit am Rentenniveau.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz gestikuliert

Das Rentenniveau bis 2040 halten? Das sah unter Rot-Grün mal ganz anders aus Foto: reuters

SPD-Finanzminister Olaf Scholz klang am vergangenen Wochenende auf einer Bürgerpressekonferenz in Berlin wie der frühere CDU-Sozialminister Norbert Blüm, von dem das geflügelte Wort der sicheren Rente stammt. „Ich möchte Ihnen eine solche Garantie vermitteln“, sagt Scholz mit sanfter Stimme. Eine Garantie also für ein stabiles Rentenniveau bis 2040.

Dafür hat Scholz Lob bekommen. Aber auch den Vorwurf des Populismus. Womit Scholz bislang durchgekommen ist: Er präsentiert sich als Retter eines Rentensystems, an dem er einst selbst mitsägte. Die rot-grüne Bundesregierung setzte Anfang der 2000er Jahre einen grundlegenden Systemwechsel in der gesetzlichen Rente durch. Damals war Scholz SPD-Sozialpolitiker, ab 2002 Generalsekretär der Partei. Stand bis dahin die Höhe des Rentenniveaus im Vordergrund, geht es seit Rot-Grün darum, die Beiträge niedrig zu halten.

Die sogenannten Lohnnebenkosten, also die Sozialbeiträge, sollten begrenzt und damit die Unternehmer entlastet werden – so die damalige neoliberale Logik. Mitte der neunziger Jahre lag der Rentenbeitrag schon mal bei über 20 Prozent, derzeit zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen 18,6 Prozent. Der Rentenbeitrag ist bis 2030 auf 22 Prozent gedeckelt. Dadurch sinkt wegen der steigenden Zahl der Rentner automatisch das Rentenniveau – es sei denn, die Bundesregierung stützt die Rente durch noch mehr Steuermittel.

Die Einführung der privaten Riesterrente war der zweite Schritt der rot-grünen Reformen. Die Riesterrente wird oft als Zusatzangebot missverstanden, aber sie hat die gesetzliche Rente gezielt belastet. Seitdem ist in der Rentenformel der „Riester-Faktor“ verankert, unter Renten-Feinschmeckern auch als „Altersvorsorgeanteil“ bekannt.

Einfach gesagt: Bei der jährlichen Rentenberechnung wird ein Teil des Bruttoeinkommens abgezogen. Der soll in die Riesterrente fließen. Der Haken: Viel weniger Arbeitnehmer als angenommen haben eine private Rentenversicherung, so dass später deren Gesamtrente schrumpft. Dass die gesetzliche Rente geschwächt wurde, ist also das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen, an denen Scholz als Bundestagsabgeordneter und SPD-Generalsekretär mitgewirkt hat.

Sind gute Renten bezahlbar?

Die meisten Arbeitnehmer haben bis heute keinen Riester-Vertrag, und das hat viele Gründe. Die einen können es sich schlicht nicht leisten, von ihrem Lohn etwas zurückzulegen. Andere lehnen aus politisch-moralischen Gründen eine Riesterrente ab: Wer etwa auf hohe Zinsen bei Anleihen hofft, sieht nicht so genau hin, auf wessen Kosten eigentlich die Erträge hoch sind.

Abgesehen davon werden die staatlichen Zulagen größtenteils von den Provisionen aufgefressen. Das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente ist dagegen bestechend einfach: Arbeitnehmer zahlen Beiträge, aus denen direkt die Renten finanziert werden. Weil die Rentenversicherung nicht gewinnorientiert ist, geht bis auf die Verwaltungskosten kein Geld verloren.

Jutta Schmitz, Politikwissenschaftlerin und Rentenexpertin am Institut für Arbeitsmarkt und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg, stört sich am Argument, dass gute Renten nicht bezahlbar seien: „Die Sachfrage ist nicht, ob wir uns ein stabiles oder höheres Rentenniveau leisten können. Das können wir als reiches Land. Entscheidend ist, wie die Finanzierung der Reform verteilt wird, also zu welchen Teilen sich Staat, Arbeitnehmer und Arbeitgeber an der Altersvorsorge beteiligen.“

Seit den rot-grünen Reformen kommen die Arbeitgeber nicht mehr hälftig für die Rente auf, weil die private Zusatzrente komplett der Arbeitnehmer stemmt. Politisch hält Schmitz den Kursschwenk der SPD für richtig: „Die SPD hat in den 2000er Jahren keine sozialdemokratische Politik gemacht. Insofern ist es zwingend nötig, dass sie wieder eine Politik macht, die ihre Wähler im Blick hat.“

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