Klimaschutz als Konjunkturprogramm

Mehr Wachstum, Jobs, Steuern: Studie sieht ökonomische Vorteile von CO2-Bekämpfung

Verkehr in Pune: Indien subventioniert Öl und Gas jährlich mit mehr als 10 Milliarden Dollar Foto: Mahesh Shantaram/VU/laif

Von Bernhard Pötter

Ernsthafter Klimaschutz kostet nicht die Welt – er kann im Gegenteil mehr Wirtschaftswachstum bringen, Millionen neuer Jobs schaffen und für höhere Einnahmen der Staaten sorgen. Das ist das zentrale Versprechen eines neuen Reports der „Globalen Kommission für Wirtschaft und Klima“, der am Mittwoch veröffentlicht wird. Der Expertenbericht kommt rechtzeitig zum Beginn der UN-Klimaverhandlungen in Bangkok in dieser Woche und eine Woche vor dem „Global Climate Action“-Gipfel in San Francisco. Damit soll er zögerliche Regierungen auf Klimakurs bringen und gegen die Befürchtung wirken, nachhaltige Entwicklung ruiniere die Wirtschaft.

Denn der über 200 Seiten lange Bericht, der der taz als Entwurf vorliegt, verspricht eine hohe Rendite für entschlossenes Handeln: Bis 2030 könnte die globale Wirtschaft 26 Billionen US-Dollar reicher sein als ohne Klimaschutz. 65 Millionen Arbeitsplätze in sauberen Industrien könnten entstehen, 700.000 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung verhindert werden. Außerdem würden die Staaten jährlich 2,8 Billionen Dollar mehr an Steuern und Abgaben einnehmen, verkündet die Studie. Gleichzeitig mahnt sie zur Eile: „Der Fortschritt zu einer neuen Klima-Wirtschaft ist nicht schnell genug“, schreiben die Autoren. „Die Chancen und Nutzen sind größer als je zuvor, aber auch unser Verständnis, welches Risiko das Nichtstun bedeutet.“

„Der Fortschritt ist nicht schnell genug“

Die Studie ist von einer Expertenkommission erstellt worden, die schon in den letzten Jahren immer wieder für die Chancen einer sauberen Ökonomie geworben hat. Geleitet wird sie von der ehemaligen nigerianischen Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala, dem Vorstandschef des Haushaltsmittelkonzerns Unilever, Paul Polman, und dem britischen Ökonom Nicholas Stern. Sie fordern einen weltweiten CO2-Preis von mindestens 40 Dollar, ein Ende der Subventionen für Kohle, Öl, Gas und die industrielle Landwirtschaft. Firmen sollten sich ehrgeizige CO2-Minderungsziele setzen, mindestens 50 Milliarden Dollar in neue grüne Techniken investieren und offenlegen, wie verwundbar sie durch den Klimawandel sind.

Die Kommission sieht einen „Jetzt oder nie“-Moment: Bis 2030 müssten weltweit ohnehin Kraftwerke, Anlagen, Städte und Straßen für 90 Billionen Dollar gebaut werden. Die Entscheidung darüber, wie nachhaltig diese Investitionen sind, fielen „in den nächsten zwei bis drei Jahren“. Die richtigen Entscheidungen für gut vernetzte, dichte Städte, Busse und Bahnen, Öko-Energien, Rettung der Wälder, eine sichere Wasserversorgung, weniger Fleischkonsum und eine saubere Industrie entscheide über die Zukunft, so die Autoren. Dabei sollten sich die Länder schneller an den Klimawandel anpassen, Frauen mehr in die Entscheidungen einbeziehen und bei schwierigen Fragen Unternehmen, Gewerkschaften und Umweltschützer für einen „gerechten Übergang“ zusammenbringen – also das, was die Bundesregierung mit der Kohle-Kommission derzeit versucht.

Eine Mahnung an die Regierungen, sich mehr zu engagieren, kam gleichzeitig aus Bangkok. „In drei Monaten sind wir in Kattowitz und ehrlich gesagt, sind wir nicht bereit“, sagte am Dienstag Frank Bainimarama, Premierminister des Inselstaats Fidschi, zum Auftakt der UN-Klimaverhandlungen. Eine Woche streiten dort die Delegationen um ein Kompromisspapier zu den Detailregeln des Pariser Abkommens, das in Polen verabschiedet werden soll. Der vorliegende Text sei „noch nicht weit genug, um als Basis zu dienen“, sorgte sich auch die Chefin des UN-Klimasekretariats, Patricia Espinosa.