Ulrich Schulte über die Generaldebatte im Bundestag
: Zurück im Chaos

Christian Lindner hat recht. Man muss die politischen Ideen des FDP-Vorsitzenden nicht gut finden, um anzuerkennen, dass er in der Generaldebatte im Bundestag gleich zweimal das größte Problem dieser Großen Koalition offengelegt hat: Das Verhältnis zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer ist zerrüttet. Und die Große Koalition, die vor der Sommerpause wegen des heftigen Streits der beiden vor dem Aus stand, macht da weiter, wo sie aufgehört hat: im Chaos.

Wieso es der Innenminister einem Behördenleiter in einer heiklen Situation gestatte, Interviews zu geben, fragte Lindner mit Blick auf die via Bild-Zeitung verbreiteten bizarren Thesen des Verfassungsschutzchefs.

Tatsächlich ist der Vorgang irrwitzig: Hans-Georg Maaßen hat nicht nur der Kanzlerin öffentlich vors Schienbein getreten, sondern auch Rechtsextremen die perfekte Vorschwörungs­theorie geliefert, indem er an der Echtheit eines Videos einer Jagdszene aus Chemnitz zweifelte. Seehofer hält dennoch an dem unfähigen Behördenchef fest, wohl auch deshalb, weil Maaßen ein Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik von 2015 ist. Der Innenminister weiß, wie er die Kanzlerin provozieren kann.

Den zweiten Wirkungstreffer landete Lindner bei der Europapolitik. Der richtige Schritt wäre, wenn CDU und CSU einen klaren Schnitt zur illiberalen Politik von Viktor Orbán machen würden, sagte Lindner. Wie in der Flüchtlingspolitik zieht sich auch hier ein tiefer Riss durch die Union, der nicht nur zwischen CSU und CDU, sondern auch mitten durch die CDU verläuft. Seehofer hofiert den Ungarn und seine Politik der Abschottung, Merkel käme im Traum nicht drauf.

Nun läge eine einfache Schlussfolgerung nahe: Wer sich nicht mehr vertraut und bei so wichtigen Themen wie der Flüchtlings- und Europapolitik über Kreuz liegt, kann nicht gemeinsam regieren. Merkel und Seehofer tun es trotzdem – aus bekannten Gründen.

Der nächste Eklat ist deshalb nur eine Frage der Zeit. Lindner und der Rest der Opposition können sich freuen.

inland