Christian Rathüber vorzeitig veröffentlichten Haftbefehl von Chemnitz
: Keine Gefahr für den Rechtsstaat

Der Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Messerstecher von Chemnitz wurde von AfD-und Pegida-Kreisen im Internet verbreitet. Das führte zu großer Aufregung. Die Süddeutsche Zeitung titelte: „Neue Justizaffäre erschüttert Sachsen“. Spiegel Online beklagte, hier werde der „Rechtsstaat vorgeführt“ und der Deutsche Richterbund sah die Justiz „sabotiert“.

Ganz schön dick aufgetragen. Dabei wurde der Haftbefehl erst veröffentlicht, nachdem die mutmaßlichen Täter schon in Haft saßen. Hier wurde also keine Polizeiaktion gefährdet. Die Informationen im Haftbefehl sind auch so spärlich, dass sie spätere Schöffen oder Zeugen eines Prozesses kaum beeinflussen können. Dass in manchen verbreiteten Versionen Namen und Adressen (auch von Zeugen) nicht geschwärzt wurden, verletzt zwar Persönlichkeitsrechte, wäre aber für sich genommen (also ohne Verbindung zu einem Verfahrensdokument) nicht strafbar. Eine Gefahr für den Rechtsstaat ist also kaum zu erkennen.

Die Übertreibung ist aber nicht nur ärgerlich, sondern auch kontraproduktiv. Immerhin wurde in Chemnitz ein Mensch erstochen. Und worüber regen sich die Verteidiger des Rechtsstaats fast am meisten auf? Dass der Haft­befehl gegen die mutmaßlichen Täter im Internet kursiert. Jeder ahnt, dass das etwas mit den Versuchen von Rechts­populisten zu tun hat, die Tat für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Man kann sich sehr viele andere Konstellationen vorstellen, in denen die Medien von einem durchgestochenen Haftbefehl wenig Aufhebens machen würden und sich eher über die unverhoffte Informationsquelle gefreut hätten. Die doppelten Standards sind mit Händen zu greifen. So einfach sollte man es rechter Propaganda nicht machen.

Bleibt der Vorwurf, dass der Leak einmal mehr die rechte Unterwanderung der sächsischen Polizei oder gar der sächsischen Justiz zeige. Doch um einen Haftbefehl zu fotografieren und weiterzugeben, ist genau eine Person erforderlich. Alles weitere sind wilde Spekulationen – die niemandem etwas nutzen.

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