„Monitor“ zu Demos in Chemnitz: Rechtsextreme nicht zu leugnen

Sachsens Regierungschef Kretschmer sah nicht nur Rechte in Chemnitz. Das ARD-Magazin „Monitor“ zeigt: Einschlägige Rechtsextreme waren dort.

Viele Menschen mit Fahnen und Pyrotechnik

Nur besorgte Bürger? Chemnitz am 27. August 2018 Foto: dpa

BERLIN taz | Zu den teils gewaltsamen rechtsgerichteten Demonstrationen in Chemnitz hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer zunächst tagelang geschwiegen, bevor er Verständnis für wütende Bürger artikulierte, um später Migration als Hauptproblem der Zeit auszumachen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wehrte sich gegen die in den Medien und öffentlichen Äußerung gebrauchten Bezeichnungen „Mob“, „Hetzjagd“ und „Pogrom“, mit denen unter anderem auf die Szenen verwiesen wurde, in denen Demonstranten vermeintliche Migranten durch die Straßen jagten. Er warnte vor pauschalen Verurteilungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Regierungssprecher halten den Gebrauch von „Hetzjagd“ hingegen für angemessen für das, was Videos und Medienberichten aus Chemnitz zu entnehmen war. Dieser Einschätzung widerspricht nun Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Dem Verfassungsschutz lägen „keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben“, sagte Maaßen der Bild-Zeitung.

Auslöser für die an mehreren Tagen veranstalteten Demonstrationen sowie Gegendemonstrationen war eine tödliche Messerattacke auf den 35-jährigen deutschen Staatsbürger Daniel H. Ende August in Chemnitz. Im Zuge der Ermittlungen wurden zwei Personen festgenommen, ein dritter ist noch auf freiem Fuß. Alle drei Tatverdächtigen waren als Asylbewerber in Deutschland registiert. Was genau an dem Tag vorgefallen ist, ist derzeit noch unklar. Vor allem rechtsgerichtete Bündnisse und Parteien riefen im Anschluss an den Vorfall zu den Demonstrationen auf: AfD, „Pro Chemnitz“, Pegida.

Hitlergrüße und einschlägige Parolen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat in seiner Regierungserklärung am vergangenen Mittwoch hinsichtlich des Levels an rechter Gewalt auf den Demonstrationen in Chemnitz nicht nur mit „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd und es gab keine Pogrome in dieser Stadt“ für Diskussionsstoff gesorgt, sondern auch mehr Differenzierung in der Bezeichnung und Einordnung der Demonstranten gefordert, die nach dem Tod von Daniel H. auf die Straßen gegangen sind. Nicht alle seien rechtsextrem, die sich in Chemnitz artikulieren wollten.

Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“ zeigen: Dafür waren besonders einschlägige Vertreter aus der extremen Rechten mindestens am vergangenen Samstag (1. September) in Chemnitz. Bereits in den Vortagen hatten mehrere Medien über Hitlergrüße, rechtsextreme Parolen, Szene-Kleidung und Übergriffe aus den Reihen der Teilnehmenden berichtet.

Für den Samstag, auf den sich der „Monitor“-Bericht fokussiert, hatten sowohl die AfD als auch die rechtspopulistische Pegida-Bewegung im Vorfeld zum Protestmarsch aufgerufen. Auch die rechtspopulistische Vereinigung „Pro Chemnitz“ hatte erneut eine Demonstration angemeldet. Die Veranstaltungen fanden im Laufe des Samstags zusammen. Aus vorangegangenen Berichten war bereits bekannt, dass die Pegida-Repräsentanten Siegfried Däbritz und Lutz Bachmann mit dem Anführer des völkisch-nationalistischen Flügels in der AfD, Björn Höcke, damit inhaltlich und räumlich in Chemnitz zusammenstanden.

Nach den „Montior“-Recherchen befanden sich darüber hinaus auch der neurechte Ideologe Götz Kubitschek und der Kopf der Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, unter den etwa 6.000 Teilnehmenden

Nach den „Montior“-Recherchen befanden sich darüber hinaus auch der neurechte Ideologe Götz Kubitschek und der Kopf der Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, unter den etwa 6.000 Teilnehmenden. Weitere ARD-Aufnahmen zeigen einschlägige Rechtsextreme wie Maik Arnold von der verbotenen Kameradschaft Nationale Sozialisten Chemnitz, den Neonazi Ives Rahmel des rechtsextremen Musiklabels PC Records und Christian Fischer, ein früheres Mitglied der Heimattreuen Deutschen Jugend. Die „Monitor“-Journalisten sehen in dieser Zusammenführung einen vollzogenen „Schulterschluss“ zwischen AfD und Rechtsextremen.

Wenige Tage nach der ersten großen Demo wurde außerdem bekannt, dass der Haftbefehl, der gegen einen der Tatverdächtigen ausgestellt wurde, durch einen Justizbeamten der JVA Dresden geleakt wurde. Dieser wurde bereits am Abend in rechten Netzwerken geteilt. Der geständige Beamte wurde vom Dienst suspendiert, gegen ihn läuft zudem ein Ermittlungsverfahren. Wie am Donnerstag bekannt wurde, wird nun auch gegen weitere Mitarbeiter der JVA Dresden unter anderem wegen Weitergabe von Dienstgeheimnissen ermittelt.

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